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Die ERDE und wir. LIII

Tagesmail vom 17.02.2025

Die ERDE und wir. LIII,

Einer: „aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie die durch wirtschaftlichen Wandel, Arbeitslosigkeit, Scheidung und Drogenkonsum ihren Halt verloren, dessen Vater Donald die Familie früh verlassen hatte, dessen Mutter drogenabhängig und nicht in der Lage war, sich alleine um die Kinder zu kümmern“ – dieser eine war es, der Deutschland eine Wiederauferstehung bescherte, indem er das Land in den Abgrund stürzte: James David Vance.

Epochenwandel – so kühl reden die Deutschen, die nicht wissen wollen, was in der Geschichte geschieht. Sie schauen auf die Uhr, auf den Kalender, das genügt ihnen.

Jean Paul wusste es besser:

„… und alles wurde eng, düster, bang – und ein unermeßlich ausgedehnter Glockenhammer sollte die letzte Stunde der Zeit schlagen und das Weltgebäude zersplittern … als ich erwachte. Meine Seele weinte vor Freude, daß sie wieder Gott anbeten konnte – und die Freude und das Weinen und der Glaube an ihn waren das Gebet. Und als ich aufstand, glimmte die Sonne tief hinter den vollen purpurnen Kornähren und warf friedlich den Widerschein ihres Abendrotes dem kleinen Monde zu, der ohne eine Aurora im Morgen aufstieg; und zwischen dem Himmel und der Erde streckte eine frohe vergängliche Welt ihre kurzen Flügel aus und lebte, wie ich, vor dem unendlichen Vater; und von der ganzen Natur um mich flossen friedliche Töne aus, wie von fernen Abendglocken.“

Zuerst muss man gestorben sein, dann erst kann man auferstehen.

Die Deutschen, sie spüren es wohl, sie haben versagt, doch die schrecklichen Gefühle des Versagens verschieben sie ins ewige Dunkel.

Müssten sie nicht endlos klagen und heulen? Wieviel seelisches Scheitern haben sie unterdrückt, mit Maschinen zermalmt, mit rasenden Autos totgefahren?

Müssten sie nicht jene Partei wählen, die ihnen nichts weiter versprach als endlose Wehklagen- und Heulepochen?

Doch sie spüren: das wird nicht ausreichen und im endlosen Meer der Pein untergehen. Haben sie etwa ihren Glauben an die Vernunft verloren?

„Tatsächlich zeigte der dem wissenschaftlichen Rationalismus so sehr verpflichtete Freud, dass die Vernunft nur die äußerste Schicht des menschlichen Geistes darstellt, unter der sich ein brodelnder Kessel unbewusster, irrationaler und primitiver Triebe verbirgt, die unserer Kontrolle weitgehend entzogen sind, unser Verhalten aber zutiefst beeinflussen. (K. Armstrong, Im Kampf für Gott)

Mann, zieh Leine! Du gehst uns auf den Wecker mit deinen Freud-Märchen. Morgen wirst du uns noch erzählen, selbst der KI wird das Unbewusste immer unzugänglich bleiben. Hauptsache, dein uraltes Menschenseelchen wird von niemandem überwältigt.

Soll das düstere, nebelige und verschwommene Seelenleben den klaren und berechenbaren Algorithmen für immer unzugänglich bleiben? Hättste gern! Das trifft nicht mal zu für den Wiener Seelendoktor:

„Auch die Psychoanalyse Sigmund Freuds, die danach trachtete, die tiefsten Schichten des Unbewussten aufzudecken, stellte einen Versuch dar, neue Einsichten zu gewinnen und zu einer verborgenen Quelle spiritueller Kraft vorzudringen.“ (ebenda)

Langsam, Monsieur, auch Freud war nur ein Mensch:

„Freud erkannte in der Todessehnsucht und dem Fortpflanzungstrieb die Triebkräfte des Menschen. In der modernen Kultur machte sich zunehmend ein, wie es schien, völlig widernatürliches Streben nach Auslöschung (und zugleich die Furcht davor) bemerkbar.“ (ebenda)

In Deutschland keime neue Hoffnung auf, weil das Land vor Wahlen stünde? Lächerlich. Solange die neuen Machthaber ihren vergifteten deutschen Seelenbrei mit sich führen, werden sie gar nichts verändern.

Schon von Charles Dickens gehört?

„In seinem Buch ‚Schwere Zeiten‘ zeichnete Dickens die industrialisierte Stadt als einen Ort der Finsternis vor, wie der moderne Rationalismus alle Moral und Individualität vernichten kann. Die neuen Megastädte wurden überaus ambivalent beurteilt. Die Dichter der Romantik brandmarkten sie als „dunkle satanische Mühlen“, sie flohen das städtische Leben und ließen sich von der Sehnsucht nach dem unverdorbenen Land inspirieren. In den Bildern jener Jahre sah man die Städte als „Ruinenlandschaften, die von einer unvorstellbaren Katastrophe zerschmettert waren“. George Steiner sprach von einem „Gegentraum zur Moderne“.“

Der Erste Weltkrieg sollte „der kollektive Selbstmord Europas sein. Allen Leistungen der Moderne zum Trotz herrschte eine nihilistische Todessehnsucht, und die europäischen Nationen gaben sich einer perversen Fantasie von der eigenen Zerstörung hin.“

Auch die Amerikaner waren berauscht vom apokalyptischen Kriegslärm:

„Die Nordstaatler waren überzeugt, der Konflikt werde die Nation säubern, die Soldaten sangen von der Herrlichkeit der Ankunft des Herrn. Prediger sprachen vom nahen Armageddon, einer Schlacht zwischen Licht und Finsternis, Freiheit und Sklaverei. Erwartungsvoll blickten sie einem Neuen Menschen und einer Neuen Ordnung entgegen, die wie Phönix aus der Asche des Weltenbrands aufsteigen würden.“

Welcher israelische Kriegsheld sprach von Söhnen des Lichts, die den letzten Kampf gegen die Söhne des Finsternis führen müssten?

„Gegenwärtig lebten die Menschen in der sechsten, vorletzten Ordnung, der Gott demnächst mit einem beispiellosen Desaster ein Ende setzen werde. Der Antichrist, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, dessen Ankunft kurz vor dem Ende von Paulus geweissagt worden war, werde die Welt mit seinem falschen Zauber täuschen und jedermann betören, um dann der Menschheit eine Zeit der Drangsal aufzuerlegen. Am Ende werde Christus auf die Erde herabkommen, den Antichrist besiegen und auf der Ebene von Armageddon außerhalb Jerusalems eine letzte Schlacht mit Satan führen, um danach die Siebte Ordnung einzuläuten. Das war die religiöse Version der europäischen Fantasie von einem künftigen Krieg. Wahrer Fortschritt war demnach untrennbar mit Konflikt und nahezu vollständiger Vernichtung verbunden. In zwanghafter Ausführlichkeit stellten sich die Christen die endgültige Auslöschung der modernen Gesellschaft vor und entwickelten eine morbide Sehnsucht danach.“

Langes Zitat, weil Deutsche von frommen Phantasien nichts wissen wollen. Von Offenbarungsmythen fühlen sie sich nur belästigt.

Amerika stand nicht allein mit seiner wörtlichen Bibelgläubigkeit. Israels Rückkehr in seine archaische Heimat verbanden die Heimkehrer immer mehr mit biblischen Phantasien der Amerikaner. Heute stehen sie Seit an Seit im letzten Kampf gegen Konkurrenten und Ungläubige. Das fromme Amerika wird das fromme Israel nie im Stich lassen? Da hat man das allerletzte Finale um die Eroberung Jerusalems ein bisschen übersehen.

Inzwischen attackieren beide auserwählte Nationen gemeinsam den ungläubigen Rest der Welt.

„Aus fundamentalistischer Sicht waren friedenswahrende Institutionen wie der Völkerbund fortan stets vom absoluten Bösen durchdrungen. Der Völkerbund war unverkennbar der Sitz des Antichrist, von dem sich jedermann täuschen lasse. Da es in der Bibel hieß, in der Endzeit werde Krieg herrschen, nicht Frieden, würde der Völkerbund deshalb einen gefährlichen Irrweg verfolgen. Ja, man müsse sogar damit rechnen, dass der Antichrist selbst als Friedensstifter auftreten werde.“

Verstehen wir langsam Trumps Willen, den Friedensschluss mit Putin gänzlich allein zu schließen?

Wo bleibt in diesem endzeitlichen Irrsinn das liebe Jesulein?

Auch der Erlöser des Neuen Testaments ist eine ambivalente Figur. In einer Religion, in der selbst der Schöpfer einen Widersacher hat, der mit ihm identisch ist, muss alles zweideutig sein. Einmal ist das Gute das Gute, ein ander Mal das Gute das Böse.

Nicht anders verhält es sich mit Jesus.

„Auf einmal war Jesus nicht mehr der liebende Erlöser. Der Christus der Offenbarung trete in Erscheinung als einer, der nicht länger Freundschaft oder Liebe sucht … seine Gewänder sind mit Blut getränkt, dem Blut der anderen. Er steigt herab, um Menschenblut zu vergießen.“

Selbst Liberale hatten Probleme mit einem Jesus, der ihre Vorstellungen von einer „unaufhaltsam dem Reich Gottes entgegenstrebenden Welt Lügen strafte, indem sie sich diesen Krieg als den allerletzten erklärten, als das Ende aller Kriege. Danach werde die Welt bereit sein für die Demokratie. Sie beschlossen anzugreifen und trotz ihres Evangeliums der Liebe und des Mitleids war ihre Kampagne bösartig und unfair.“

Ein entscheidender Beweggrund für ihren Krieg gegen die Deutschen war ein theologischer. Sie waren überzeugt, dass die beliebige Deutung der Schrift die moralischen Werte der Deutschen zerstört habe,

Den folgenden Satz muss man sich mehrere Male auf der Zunge zergehen lassen:

„Was die historische Bibelkritik betraf, war keine Versöhnung mehr möglich. Die wörtliche Auslegung der Schrift entschied über Leben und Tod des Christentums.“

In Deutschland waren die Pietisten die Letzten, die sich an Luthers Devise hielten: „das Wort, sie sollen lassen stahn und kein Dank dafür haben.“

Schleiermacher war der erste bedeutende Theologe, der „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“ der primitiven Wortauslegung vorzog. Das war der Beginn der Romantik, der Beginn des deutschen Unheils.

Danach begann die endlose, analytische Sezierung der heiligen Schriften. Heute kann kein seriöser Theologe mit einem „eindeutigen“ Schriftwort einen Streit beendigen.

Das ist das Elend des Christentums, mit dem jeder Blindgläubige jede Offenbarung in die Welt posaunen kann.

Ist der Sinn der christlichen Rede die Rettung der Menschen, die Rettung der Gläubigen?

Kleines Beispiel:

„Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt … Wenn ich nicht gekommen wäre und hätte es ihnen nicht gesagt, so hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorbringen, um ihre Sünde zu entschuldigen.“

Wenn Christus nicht gekommen wäre, hätten sie keine Sünden?? War die Schöpfung ohne Jesus etwa sündenrein? Ist er deshalb gekommen, um die Menschen sündhaft zu machen – um sie dann von dieser Sünde zu erlösen? Absurd.

Der nächste Vers ist noch verwirrender:

„Ich bitte für sie. Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast, denn sie sind dein.“

Christus ist nicht gekommen, um die ganze Welt zu erlösen, sondern nur die, die er auserwählt hat?

Das wäre die unüberbrückbare Kluft zwischen universalem Humanismus der Griechen und dem Sonderheil der auserwählten Christen und Juden.

Kein Zufall, dass bereits die jüdischen Neocons in den USA den Kampf gegen den Universalismus begannen. Heute sind Amerika und Israel die mächtigsten Staaten, die die Gleichheit der Menschen symmetrisch an die Wand klatschen.

Die USA, bislang die treuen Freunde der Deutschen, erleben erneut den Ausbruch ihrer biblischen Gläubigkeit. Plötzlich entdecken sie, dass ihre frech gewordenen Zöglinge schlimme Bibelverächter sind und gar nicht daran denken, die wortwörtliche Frömmigkeit ihrer souveränen Beschützer zu übernehmen. Da es mit ihnen selbst abwärts geht, müssen sie alles unternehmen, um ihre alte Weltdominanz wieder herzustellen. Mit Macht und Geld.

Es scheint, als ob die christliche Erlöserreligion in nächster Zukunft alles unternähme, um den autonomen Friedenskampf der „Heiden“ zu Grabe zu tragen.

Universelle Philanthropie und selektive Erlösung vertragen sich nicht.

Fortsetzung folgt.