Tagesmail vom 14.02.2025
Die ERDE und wir. LII,
Nicht nur Deutschland steigt ab, der gesamte Westen zerlegt sich in seine Bestandteile.
Doch Amerika verfügt über die Fähigkeit, sich mit Gewalt wieder nach oben zu manövrieren – während Deutschland dazu weder genug Waffen noch Geld besitzt.
Zwei verlorene Söhne, die sich gegenseitig übelnehmen, ihre Freundschaftsfähigkeit verloren zu haben und somit ihre politische Relevanz.
Nach dem Krieg wurden Eisenhowers Soldaten überraschend schnell stolz auf ihre verbrecherischen Nazi-Verwandten, die sich in kurzer Zeit in vorbildliche Rekonvaleszenten verwandelten.
Binnen kürzester Zeit wurden sie Produzenten eines Wirtschaftswunders, also jener Disziplin, in welchem ihre neuen Befreier-Freunde unbestrittene Weltmeister waren.
Zwei Nationen begannen, stolz aufeinander zu werden.
Dieses Wunder dauerte etwa ein halbes Jahrhundert. Und jetzt zerbricht es – mindestens für das nächste halbe Jahrhundert. Amerika zerbricht sein Freundschaftsprofil und wird zum Berserker der Welt, die Deutschen haben ihre – ungleich schlimmere – Berserkerrolle bereits hinter sich gebracht: jetzt stehen sie nackt und bloß „vor der Geschichte“.
Was haben sie zu bieten, um sich in der Welt eine sympathische Rolle zu verdienen? Es war die Aufklärungs- und Revolutionszeit, in der die Deutschen ins Ausland flüchteten, vor allem nach Frankreich, um zu lernen, wie man die Adelsklassen zum Teufel jagt.
Doch für ihre Denker und Dichter war dieser Aktionismus keine akzeptable Tätigkeit. In der Theorie befürworteten sie zwar die Revolution, in der Praxis hingegen wandten sie sich ab von der schrecklichen Realität und flüchteten ins Reich der Kunst, lasen die mythologischen Griechen und die poetischen Weisheiten der Welt. Vom praktischen Umsturz ihrer elenden Verhältnisse wollten sie nichts hören.
Dann begann die nationale Stickluft-Geschichte, die im Gestank der Gasöfen endete. Wann, in welcher Epoche hätten sie kosmopolitische Menschenfreundlichkeit lernen sollen?
Bis heute werden sie in allen möglichen Fähigkeiten getestet, vom Einmaleins bis zur Anwendung der Chat GPT.
Wie man aber mit anderen Menschen umgeht, beispielsweise mit Fremden und Flüchtlingen aus der ganzen Welt, das interessiert keinen Testspezialisten, der Deutsche an der Spitze der Welt sehen will.
Deutsche sind fleißig, können hart arbeiten, sind in allen technischen Disziplinen genial, wissen aber nicht, wie man einem Ausländer „Guten Tag“ sagt.
Im deutsch-französischen Vertrag gab es kaum eine deutsche Gemeinde, die nicht eine befreundete französische Gemeinde gehabt hätte. Französisch, nicht englisch, war die erste Sprache, die man im Gymnasium lernen musste.
Deutschland, der reuige Sünder, wurde von den Siegernationen umworben. De Gaulle war vorbildlich im Werben um Adenauer und seine Untertanen. Gelegentlich aber fuhr er aus der Haut:
Privat äußerte er am 24. April 1963: „Die Amerikaner versuchen, unseren Vertrag auszuhöhlen. Sie wollen ihn zu einer leeren Hülle machen. Und warum das alles? Weil deutsche Politiker Angst haben, dass sie sich vor den Angelsachsen nicht genügend verbeugen! Sie benehmen sich wie die Schweine! Sie würden es verdienen, dass wir den Vertrag kündigen und dass wir das Bündnis umkehren und uns mit den Russen einigen!“[47][48]
Später sagte er:
„Sie unterwerfen sich völlig der Herrschaft der Angelsachsen. Sie verraten den Geist des Französisch-deutschen Abkommens. Und sie betrügen Europa. (…) Die Deutschen waren meine größte Hoffnung, sie sind nun meine größte Enttäuschung.“
Man sieht, Geschichte wiederholt sich – weil Menschen gleich bleiben und sich wiederholen.
Wie de Gaulle sich damals äußerte, so äußert sich heute der amerikanische Nachfolger eines Pfälzers, der nichts anderes will, als die christliche Herrschaft über die Welt an sich zu reißen.
Deutschland wurde zum vorbildlichen Zögling, der sich den Beistand seines Großen Freundes durch „amerikanisch-ökonomische“ Weltmeistertugenden errang.
Was aber passiert, wenn der Große Freund seine Sympathie für den Zögling verliert, weil beide den Boden unter den Füßen verlieren?
Dann geschieht, was heutzutage geschieht: der führende Westen taumelt im Irrsinn, die kleineren Verbündeten wissen nicht, was sie tun sollen, weil sie sich im Schutz des großen Anführers bislang sicher gefühlt haben – und nun im Regen stehen.
De Gaulle hatte schon früh erkannt, dass die Deutschen unfähig und unwillig waren, eine enge Freundschaft mit der Nation der Französischen Revolution und der kühlen Raison zu schließen.
Zudem: wer lachte sich nicht bucklig über das wunderbare Motto Voltaires: il faut cultiver son jardin, geh hin und pflege deinen Garten? War das nicht schon damals zu viel Klimagedöns, das bei Kruppianern und Ruhrpottlern nicht gut ankam?
Die Deutschen empfanden sich als perfekte Zöglinge, weil sie den neoliberalen Kapitalismus und die amerikanische Lebensart vollständig übernahmen. Sie wurden zu perfekten Imitationen Hollywoods, Gerald Fords und Bob Dylans.
Solche überidentischen Beziehungen aber gehen pleite, wenn der Große Freund nicht lernt, die Fehler seiner Verbündeten in freundschaftlichem Ton zu kritisieren. So erging es der amerikanisch-deutschen Freundschaft – wie übrigens auch der deutsch-israelischen Loyalität.
Wer heute Amerika oder Israel kritisiert, ist automatisch Anti-Amerikaner oder Antisemit. Beide Nationen fühlen sich auserwählt und wollen von Krethi und Plethi nicht in den Schmutz gezogen werden. Sie allein bestimmen, welche Kritik an ihnen berechtigt oder pervers ist. Debatten zwischen Gleichberechtigten gibt es bei ihnen nicht.
Trump, der neue Matador der USA, hat längst die Nase voll von den Europäern, besonders von den Deutschen, die der pubertierenden Meinung sind, sie könnten sich im Schutz ihrer Freunde jede Schlamperei erlauben. Bezahlten sie wirklich den Anteil ihrer NATO-Zugehörigkeit, den sie unterschrieben hatten – oder glaubten sie, ihre Verbündeten würden ihre Nachlässigkeit mit links ausbügeln?
Die Amerikaner bezahlten die Nachlässigkeit ihrer Verbündeten mit deren Unfähigkeit, sie ernsthaft zu kritisieren.
Trump will deshalb der erste sein, der Tacheles spricht. Vor allem den Deutschen droht er mit dem großen Hammer: wenn ihr nicht absolut zuverlässig seid und uns für euch bezahlen lasst, werdet ihr es büßen..
In der deutschen Gesellschaft sind die NATO- Schlampereien ihrer Regierungen nie wahrgenommen worden. Man fühlte sich hierzulande unverwundbar im wohligen Gewässer der transatlantischen Beziehungen.
Doch jetzt kommt’s zum weltpolitischen Konflikt. Die bisherigen Machtblöcke beginnen sich aufzulösen. Nicht nur Russland, auch China will seine frühere Weltdominanz zurückerobern.
In Russland kamen unerwartet vorbildliche Friedenscharaktere an die Macht, die den Kalten Krieg nicht länger akzeptieren wollten. Das jedoch passte den Amerikanern nicht, die nicht nur die Mächtigsten, sondern auch die ethisch Vorbildlichsten in der Welt sein wollten. Das spürten die deutschen Amerikabewunderer, die sich nicht trauten, das Band der Freundschaft gleichmäßig nach Ost und West auszustrecken.
Gorbatschows riesige Tat der Maueröffnung und Beendigung des Kalten Krieges akzeptierten sie zwar, doch mehr war nicht drin.
„Im März 1985 veränderte ein außergewöhnliches Ereignis den Lauf der Geschichte. In der Sowjetunion kam der 54-jährige M. Gorbatschow an die Macht. Und wie Chruschtschow zeigte er ein seltenes Maß an Aufrichtigkeit, als er mit Diplomatie und Glück seinen Weg durch die Minenfelder wirtschaftlicher Ineffizienz und ideologischer Lügen suchte.“ (Oliver Stone)
Gorbi erklärte vor den Vereinten Nationen einseitig den Kalten Krieg für beendet. „Die NYT verkündete, seit Roosevelts und Churchills Atlantik-Charta habe kein führender Politiker der Welt mehr so viel visionäre Kraft unter Beweis gestellt wie Gorbatschow: „atemberaubend, riskant, kühn, naiv“.“
Diese außergewöhnlichen Fähigkeiten Gorbatschows wurden in den USA nicht hochgejubelt, im Gegenteil. Sie wurden zum Grund seiner Entmächtigung durch angeblich humane Überheblichkeit.
Warum? Die Großen Freunde waren eifersüchtig und fürchteten Gorbatschows Gradlinigkeit, die die Deutschen bewegen könnte, ihre Sympathie von Amerika abzuwenden und Russland zuzuwenden.
Die amoralisch-moralischen Doppelspiele des Westens waren der Grund für die wachsende Abneigung der übrigen Welt gegen die bigotten Christen des Westens.
Und der Westen selbst? Der war so gewöhnt an die heuchlerischen Machenschaften seiner Regierungen, dass sie keinen Grund zur Rebellion sahen.
„Diese abrupten politischen Kehrtwenden nahmen die Medien weitgehend unhinterfragt hin.“ (Stone)
Die christliche Botschaft ist eine bigotte Offenbarung, weil ihre obersten Führer – Gott und sein Knecht Satan – immer mit zwei Zungen sprechen. Was der Schöpfer befiehlt, dem widerspricht der Teufel fast immer. Im Gehorsam dieser göttlich widersprüchlichen Botschaft wuchs der Westen zur bigotten Weltmacht empor.
Zwar war das Christentum auch die herrschende Religion des Ostens, doch der Atheismus Lenins und Stalins sorgte für eine hinlängliche Schwächung des Evangeliums. Also gelang es Gorbatschow, seine Friedensbotschaft mit eindeutiger Klarheit und Aufrichtigkeit in die Welt zu senden.
Als Gorbatschow gehen musste, kam ein unbekannter Geheimdienstler mit Namen Putin an die Macht. Was war von diesem Leningrader zu halten?
Was war von ihm zu halten, wenn er von der Berliner Regierung als geeignet empfunden wurde, im „heiligen“ Bundestag eine Rede zu halten? War das ein Vertrauensbeweis –oder das Gegenteil?
Und nun, liebe Schwestern und Brüder, ratet, von wem die folgende Rede ist:
„Nennen wir die Dinge doch beim Namen: Mit der einen Hand wird „wohltätige Hilfe“ geleistet, aber mit der anderen wird nicht nur die wirtschaftliche Rückständigkeit konserviert, sondern auch noch Profit gescheffelt. Die entstehenden sozialen Spannungen in solchen depressiven Regionen führen unausweichlich zum Anwachsen des Radikalismus und Extremismus, nähren den Terrorismus und lokale Konflikte. Aber wenn das zudem noch, sagen wir, im Nahen Osten geschieht, unter den Bedingungen eines zugespitzten Verständnisses der äußeren Welt als einer ungerechten, dann entsteht das Risiko einer globalen Destabilisierung. Und natürlich möchten wir gerne mit verantwortungsvollen und ebenfalls selbstständigen Partnern zusammenarbeiten am Aufbau einer gerechten und demokratischen Welt, in der Sicherheit und Aufblühen nicht nur für Auserwählte, sondern für alle gewährleistet ist.“
Ist diesem Mann zu trauen? Oder ist er ein ebenso bigotter Weltmachtpolitiker wie die Amerikaner?
Jetzt führt er einen schrecklichen Krieg gegen die Ukraine, aber: hat er den als Werk der Nächstenliebe deklariert, wie es der Westen oft genug getan hat? Nicht nur bei Dabbelju Bush. Selbst der moralische Rhetorik-Weltmeister Obama hat vieles Gute angekündigt und oft genug das Gegenteil vollbracht.
Nehmen wir nur die untergeordnete Wahlkampfunterstützung.
„Doch dann geschah das Unerwartete. Obama brach sein Vergehen und lehnte als erster Kandidat in einem landesweiten Urnengang die staatliche Wahlkampffinanzierung zugunsten uneingeschränkter privater Spenden ab. Stillschweigend wandte sich Obama potenten Spendern aus der Finanzwelt zu.“ (ebenda)
Es gäbe noch ganz andere Beweise, um die Doppelmoral des Westens zu beweisen. Was wahrlich nicht bedeutet: der Osten ist gut, der Westen böse – oder umgekehrt. Nur in der Theologie sind gut und böse unüberbrückbar, im irdischen Bereich vermischen sich beide je nach selbst erarbeiteter moralischer Festigkeit.
Fazit: jeder ist aufgefordert, sich selbst ein Bild von der politisch-moralischen Qualität der Großmächte zu machen.
Was gar nicht geht, ist, dass die leiseste Kritik an den USA so antiamerikanisch sein soll, wie jede Kritik an Israel antisemitisch.
Deutschland muss sich in gleichem Maß freimachen von pubertierenden Bewunderungsneurosen gegen seine „Freunde“ wie von hassgesteuerten Antigefühlen gegen die Feinde Amerikas.
Wir müssen lernen, gegen jedermann hassfreie Beurteilungen abzugeben, anzuerkennen, was anerkennungsfähig ist, zu kritisieren, was die Humanität des Menschen beschädigt.
Fortsetzung folgt.