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Der Wille

Hello, Freunde des Willens,

Merkel, kurz vor ihrer Krönung zur europäischen Queen, plauderte zwei Urgeheimnisse ihrer royalen Herrschaft wie beiläufig aus:

1) Wo mein Wille ist, da ist auch mein Weg.

Wo ein anderer Wille ist, da ist kein Weg.

Wo ein anderer Wille meinen Willen nicht will, der will keinen Weg.

Wer meinen Weg nicht will, weil er meinen Willen nicht will, der ist charakter- und willenlos. Oder bös-willig. In Aus-weg-losigkeit soll er verenden.

2) Politik ist Erfüllerin der heiligen Zeit: als aber die Zeit erfüllet ward.

„Die Zeit läuft. Die Zeit läuft ab. Die Zeit läuft aus. Der Samstag ist entscheidend.“ (Merkel)

„Time is running out“ – Lieblingssatz erwählter Politiker aus Gottes eigenem Land.

3) Summa: Merkels Wille ist Erfüllerin der heiligen Zeit. Wer ihrem heiligen Willen widersteht, der sei verflucht. Er macht sich der Insolvenzverschleppung schuldig und hat Euro und Europa nicht verdient. Urteil: Grexit. Mindestens zwei Generationen lang.

„Grexit ist ein Kofferwort (englisch aus Greek und exit oder aus Greek euro exit), das das mögliche Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone benennt“. (Wiki)

Exitus heißt der Tod. Wenn Griechenland dem heiligen Willen Merkels widersteht, soll es mit sozial verträglichem Ableben bestraft werden. Auf biblisch: „Und den

unnützen Knecht stoßet hinaus in die Finsternis, die draußen ist. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.“

Einen Quexit – nein, keine Abkürzung für eine insulare Quetzalcoatl, sondern Kofferwort aus Queen und exit – gibt es noch nicht. Darf es nicht geben. (Der im Zweifel linke Kolumnist Jakob Augstein sorgt sich um generationengerechte Thronübergabe im Buckinghampalace. Zu Recht. Auch der in Stein gemeißelte Name des längst verblichenen Begründers Rudolf Augstein sollte längst ersetzt werden durch Jakob, den Gottesüberwinder.) Denn von Großbritannien haben wir viel profitiert: Kapitalismus, Wissen-ist-Macht, Darwins Überleben der Fittesten, James Bond und die wundervolle, steil abfallende Cornwall-Küste für Rosamunde Pilcher-Romane, ohne deren Verfilmungen das kirchenlammfromme ZDF längst pleite wäre.

Was hingegen haben wir von Griechenland? Außer Salzlakenkäse (Feta) und griechischem Joghurt – nur verschlissene Pöbelherrschaft und egalisierende Moralphrasen. Vielleicht noch griechischen Wein, das Blut der Erde. Doch seitdem Udo Jürgens in die DNA der Deutschen eingegangen ist, wollen die Europäer sich nicht länger mit symbolischem Blut begnügen.

Sagens wir‘s kurz und unsentimental: Griechenland ist wettbewerbsunfähig. Zumal es sich störrisch weigert, seine Inseln meistbietend an deutsche Milliardäre zu verkaufen. Ohnehin taugen die Mittelmeereilande zu nichts mehr, seitdem orientalische Flüchtlingshorden die einst blütenweißen Strände mit ihrer bloßen Anwesenheit verunzieren.

Wie könnte man die geistige Befindlichkeit der Jetztzeit in einem kurzen und trefflichen Satz zusammenfassen?

„Mensch, geh deinen Weg.“

Welchen Weg? Frag nach bei John Bunyan: den Weg von dieser Welt in jene, die da kommen soll. Aber das kann doch nicht wahr sein. Es muss unendlich verschiedene, unvergleichliche, schmale Wege geben – und keinen breiten Trampelpfad nach Jerusalem. Oh, es gibt viele Wege, die aber alle nach Rom führen.

Der postcalvinistische Individualismus ist eine Chimäre. Alle Menschen sollen zwar selig werden. Doch die meisten werden es nicht. Dazu fehlt ihnen das nötige Kleingeld. Weil sie mit selbigem nicht wuchern können:

„Und ich sage euch auch: Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“

Geh deinen Weg. Aber wehe, er führt nicht in Wohlstand und Reichtum. Geh deinen Weg. Aber wisse, die Wege der Ökonomie lassen sich „nicht überlisten“. (So der ökonomische Hohepriester Prof. Sinn bei Anne Will, der mit niemandem über Europa debattieren will, der nicht aus seinem „Metier“ ist. Auch mit Gesine Schwan nicht, die nur vulgäre Politikwissenschaftlerin ist und es nicht mal geschafft hat, Bundespräsidentin zu werden.)

Nur in Nach-Folge kann der Weg gegangen werden, um die Zeit bis zur Rückkehr des Messias zu überbrücken. Es gibt keinen eigenen Weg. Der Hirte geht voran, seine Schafe folgen blind. Seinen Weg gehen, heißt die schmähliche Parusieverzögerung des Herrn zu kompensieren. Schmählich, weil der Auferstandene seine baldige Wiederkunft zusagte und bis heute nicht eingehalten hat. Zu Lebzeiten der ersten Jünger wollte er bereits kommen. Das war der Rohrkrepierer der Religionsgeschichte – bis zum heutigen Tag.

Um die chiliastische Insolvenzverschleppung des Heilands zu kaschieren, müssen die Gläubigen die unendlich dahinziehende Zeit durch Beschleunigen, sinnloses Fortschreiten und selbsterfüllenden Gehorsam überdecken. Seit 2000 Jahren müssen sie wachen und harren. Längst sind sie in Tiefschlaf versunken, indem sie nach außen immer hektischer und betriebsamer erscheinen. Ihre übermüdeten Augen gläsern aufgerissen, starren sie wie gelähmt auf ihr fieberhaftes Treiben, unfähig, sich Einhalt zu gebieten und klar zu machen, dass sie es sind, die sie in fieberhafter Agitation wahrnehmen.

Das ist der Grund der grassierenden Apathie, die eskalierenden Gefahren zu spüren und sie dennoch nicht zu korrigieren. Wir wissen, welche Zukunft wir uns bereiten, reden uns aber ein, nichts wissen zu können, weil wir nichts wissen dürfen. Bewusstseinsgespalten schauen wir uns zu, ohne wahrzunehmen, dass wir die rasenden Objekte unserer teilnahmslosen Neugierde sind.

Je mehr wir tun und machen, je unfähiger werden wir, die Folgen unseres Tuns zu überblicken und eiskalt zu korrigieren. Wir leben im Modus überbewegter und bewegungsloser Zukunftsergebenheit. Uns sind Fristen gesetzt, ständig läuft uns die Zeit davon. Wir dürfen nicht einhalten, um zu sehen, was wir tun und zu bedenken, was wir tun müssten, um uns nicht empfindungslos zu vernichten.

Wir leben nicht in der Zeit der Natur, die alles zur Reife kommen lässt, wir leben unter dem Diktat einer verordneten Heilsgeschichte, die nichts ausreifen lässt und alles der Willkür eines übernatürlichen Willens unterordnet. „Als aber die Zeit erfüllet ward, sandte Gott seinen Sohn.“ „Wehe der Erde und dem Meer, denn der Satan ist zu euch hinabgekommen, und er hat einen großen Zorn, da er weiß, dass er nur noch eine kurze Frist hat.“ Selbst der Teufel muss Zeitmanagement lernen, auch seine Zeitressourcen sind begrenzt.

Kairos ist der rechte Augenblick, der eingehalten werden muss, um das Rechte zu tun. Denn weitere Chancen wird es nicht geben. Die einmalige Gelegenheit beim Schopfe zu packen, ist die Fähigkeit, den rechten Zeitpunkt zu erkennen und das Notwendige zu tun. „Was du dem Augenblicke ausgeschlagen, Bringt keine Ewigkeit zurück.“ (Schiller)

Kairos kann eine wohltätige Ordnung der Natur – oder ein irrationales Dekret Gottes sein.

Im Kairos der Natur erhält alles die Zeit, die es benötigt, um gesät zu werden, zu blühen und zu wachsen, bis es reif geworden ist. Im Kairos Gottes entscheiden nicht natürliche Bedürfnisse irdischer Dinge, sondern der unerkennbare Ratschluss eines allmächtigen Herrn der Geschichte.

Kairos der Natur ist Hege und Fürsorge. Der Kairos eines transzendenten Schöpfers ist sein allmächtiger Wille, der will, weil er will.

Merkels Wille ist keine Fürsorge, die das Beste aller Beteiligten will, sondern empathieloses Vorschreiben und Befehlen aus der unfehlbaren Sicht einer Erwählten und Mächtigen.

In der hellenisch geprägten alttestamentarischen Schrift „Der Prediger“ sehen wir den natürlichen und den heilsgeschichtlichen Kairos ineinander überfließen. Der Kairos „Alles hat seine Zeit“ beginnt mit natürlichen Ereignissen und endet mit willkürlichen Gottesbeschlüssen:

„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde. Geboren werden und sterben, pflanzen und ausrotten, was gepflanzt ist, würgen und heilen, brechen und bauen, weinen und lachen, klagen und tanzen, Steine zerstreuen und Steine sammeln, herzen und ferne sein von Herzen, suchen und verlieren, behalten und wegwerfen, zerreißen und zunähen, schweigen und reden, lieben und hassen, der Krieg und der Friede hat seine Zeit.“

Geboren werden, sterben, pflanzen und ernten sind überwiegend natürliche Dinge. Würgen und Kriegführen sind menschliche Dinge, die von Gläubigen im Dienste ihres Gottes vollstreckt werden, der seinen Willen als Erfüllung eines bestimmten Augenblicks formuliert. Nichts geschieht unter der Sonne ohne willkürliche Zeitangabe des Himmels. Wer den rechten Moment im Ungehorsam versäumt, verfällt dem Gericht Gottes. Gott will nicht nur bloßen Gehorsam, sondern absolute Unterwerfung unter den imperativen Kairos seines unerkennbaren Willens.

Hie ist Mutter Natur mit erkennbaren Gesetzen, die der Mensch lernen kann, um sie für sich zu nutzen, ohne der Natur zu schaden.

Da ist Vater Gott mit bizarrem Willen, der von keinem Menschen ergründet werden kann und dessen geoffenbartem Willen man blindlings folgen muss.

Auf Seiten der Mutter Natur kann sich die Vernunft des Menschen entwickeln, die in Wissen und Weisheit das Schicksal des Menschen zu seinem Besten gestalten kann.

Auf Seiten der Religion wird Lernen und Erkennen ausgeschaltet. Nur im gläubigen Hören und Vernehmen der göttlichen Botschaft kann der Mensch seinen Glaubensgehorsam unter Beweis stellen.

Hie Vernunft, selbstbewusstes Denken (sapere aude, habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen) und autonomes Entscheiden da blindes Befolgen uneinsichtiger höherer Willensäußerungen eines Gottes.

Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg: das hätte kein vernunftgeleiteter Grieche sagen können. Das klingt, als könnte ein allmächtiger Wille alle Hindernisse über den Haufen werfen. Als wäre dem Willen nichts unmöglich. Natur wäre etwas, was er mit links aus dem Wege räumen könnte. Einem allmächtigen Willen stünde eine ohnmächtige Natur gegenüber.

Voluntarismus nennt man die christliche Philosophie des allmächtigen Willens. Im Mittelalter entbrannte ein Streit über die Frage: ist Gott seinen eigenen Natur- und Moralgesetzen untertan – oder steht er über allen logischen und natürlichen Gesetzen des Kosmos?

Wer sich für den omnipotenten Willen Gottes entschied, war religiöser Voluntarist im philosophischen Gewande.

Nach der Aufklärung, die sich für vernünftiges Erkennen natürlicher Gesetze einsetzte, entschied sich die romantische und postromantische Philosophie bis zum heutigen Tag für allmächtigen Voluntarismus in Wirtschaft, Technik und Politik.

Dem gottähnlichen Menschen ist nichts unmöglich. Natur ist das minderwertige Feld seiner unbegrenzten Machtexperimente. Im Himmel und auf Erden gibt es keine Gewalt, die er nicht überwältigen könnte. Der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

„Die biblische Kosmologie war von den philosophischen Vorstellungen der Griechen grundverschieden. Hier gibt es keine Regel, kein Gesetz, das auf Schöpfer und Schöpfung angewendet werden könnte. Die Schöpfung resultiert allein aus dem souveränen Willen und der Macht des Schöpfers. Jahwe vermag zu erschaffen, zu verändern, zu zerstören, wie es ihm beliebt. Nur aus Wohlwollen gegenüber seinen Geschöpfen hat er der Welt „Gesetze“ gegeben, die allerdings nur solange gelten, solange Er es will. „Solange die Erde steht sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Kälte und Hitze, Tag und Nacht.“ Der Mensch kann diese Regeln verstehen und sich in seinem Leben auf sie verlassen – nicht weil sie vernünftig sind, sondern weil Jahwes Versprechen ihre Geltung sichert. Jederzeit könnte er die Gesetze wieder zurücknehmen. Alles Geschehen nimmt seinen Lauf nur aufgrund des göttlichen Willens. Deshalb macht es keinen Sinn, die Kategorien des Möglichen, Vernünftigen und Wahrscheinlichen auf den Willen Gottes anzuwenden.“ (Albrecht Diehle, „Die Vorstellung vom Willen in der Antike“)

In der griechischen Philosophie gibt’s keinen Willen, wie wir ihn in der Moderne kennen. Sokrates war von der Souveränität der rationalen Einsicht vollständig überzeugt. Wer etwas als vernünftig erkannte, wird der Stimme seiner Vernunft freudig und ohn Widerstreben folgen. „Niemand fehlt freiwillig“ bedeutet: niemand macht freiwillig Fehler. Etwa nach dem paulinischen Motto: der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach. Im griechischen Denken waren Geist und Fleisch noch sympathetisch miteinander verbunden und durch keinen Sündenfall verfeindet. Der Mensch war eine Einheit. Und keine Mixtur aus Göttlichem und Teuflischem.

Im Christentum wird der Mensch zum theatrum mundi, auf dem himmlische und diabolische Mächte gegeneinander antreten, um die Heilsgeschichte für sich zu entscheiden. Der Mensch war kein Zweck an sich, sondern nur Mittel zum Zweck, um übermenschlichen Gewalten ein finales Schlachtfeld zu bieten.

Nach der Blütezeit der athenischen Demokratie, die ohne Glauben an die Vernunft nicht denkbar war, erlahmten allmählich die rationalen Fähigkeiten der hellenischen Kultur. Was Vernunft nicht mehr vermochte, musste durch den neu eingeführten Willen kompensiert werden. Das beginnt bei Aristoteles, der die Einsicht des Menschen durch willensmäßiges Trainieren und Einüben verstärken wollte.

„Die Tugend ist lehrbar, aber es bedarf gewissenhafter Selbsterziehung und philosophischer Übung, damit der Logos sich von falschen Meinungen befreien und zur rechten Erkenntnis gelangen kann. Wir fragen: wo bleibt der Wille? Der Grieche kennt keinen Willen, der nur psychische Energie ist, ohne ein bestimmtes Objekt im Auge zu haben. Seine Sprache hat nicht einmal ein Wort, das unserem Willen entspräche. Einen besonderen Willen braucht das griechische Empfinden nicht. Aus der Vorstellung des Vorteilhaften und Guten, aus der Schau des gesteckten Zieles ergibt sich von selbst der Wille zur Tat.“ (Max Pohlenz)

Sokrates hatte an Einsicht appelliert. Seine Nachfolger appellierten immer mehr an selbstdisziplinierende Willenskräfte, die der schwächer werdenden Vernunft aufhelfen sollten. Das Christentum fegte die heidnische Vernunft völlig vom Tisch. Selbst der autonome Wille war durch Sünde völlig korrumpiert. Vor Gott half kein menschliches Wollen und Klügeln: der Mensch musste alle Selbstgewissheit aufgeben und in Sack und Asche um Gnade flehen. Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren.

Musste der nachsokratische Denker einen Willen entwickeln, um sich zu befehlen, was er in nachlassender Vernunft eingesehen hatte, wurde bei Paulus der eigene Wille des Menschen zum fremden Willen Gottes, dem man sich blindlings unterwerfen musste. Selbst der Sohn des Höchsten bekennt: „Ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen des Vaters.“ Im Vaterunser betet der Gläubige: Dein Wille geschehe. Und nicht meiner.

Im christlichen Glauben werden Vernunft und eigener Wille des Menschen begraben. Wer sich dem heteronomen Willen eines Gottes widersetzt, wird im Leben und Sterben nichts mehr zu lachen haben.

Die Moderne kennt nur den instrumentellen Verstand der Technik und der natur- und menschenbeherrschenden Wirtschaft und Politik. Vernunft als vitales Zentrum seiner moralischen Gestaltungsfähigkeit ist abgeschafft. Sowohl vom Marxismus wie vom Kapitalismus, die die Selbstbestimmung des Menschen unisono als Chimäre betrachten. Gegen ökonomische Naturgesetze vermag kein Moralisieren etwas auszurichten. Gegen materielle Geschichtsgesetze sind idealistische Moralvorstellungen Träumereien.

Nietzsches Wille zur Macht war eine Mischung aus politischer Kraftmeierei titanischer Übermenschen – und metaphysischer Ergebenheit in das dionysische Schicksal:

„Diese meine dionysische Welt des Ewig-sich-selber-Schaffens, des Ewig-sich-selber-Zerstörens … dies mein Jenseits von Gut und Böse, ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel liegt … Wollt ihr einen Namen für diese Welt? … Ein Licht für euch, ihr Verborgensten, Stärksten, Unerschrockensten, Mitternächtlichsten? … Diese Welt ist der Wille zur Macht – und nichts außerdem! Und auch ihr seid dieser Wille zur Macht – und nichts außerdem!“

In der nüchternen Sprache eines Lexikons: „Amor fati, die Liebe zum Schicksal, war Nietzsches Formel für den höchsten Zustand, den ein Mensch erreichen könne: »dionysisch zum Dasein stehen«; das Notwendige für Nietzsche der als sinnlos erkannte ewige Kreislauf allen Geschehens nicht nur zu ertragen, sondern es um seiner selbst willen zu lieben.“

In Nietzsches Philosophie wollten die Deutschen aus überschwänglicher Kraft das Sein in die Luft sprengen – doch schnell wurde ihnen vor der eigenen Gottähnlichkeit bange. Sie kippten um ins Gegenteil und unterwarfen sich den Mächten dieser Welt. So geschehen nach der Kapitulation im Zweiten Weltkrieg. Seitdem beten sie den amerikanischen Lebensweg – ein futuro-faschistischer Größenwahn mit schwindenden Demokratieresten – als zweites Evangelium an.

Oben oder Unten. Allmacht oder Ohnmacht. Siegen oder Unterwerfen. Bis heute beherrscht die deutsche Politik nicht die Kunst des gleichberechtigten Dialogs. Merkel zwingt Schwächere in die Knie – und unterwirft sich stumm den Starken der Weltpolitik.

Die Deutschen hat man entweder an der Gurgel oder zu Füßen, hatte Churchill notiert. Heute müsste man sagen: Merkel hat man entweder als herablassend gnädige oder als erbarmungslose Mutter. Doch immer als dialogunfähige, trickreiche Voluntaristin. Partner auf gleicher Augenhöhe sind der Königin der Herzen unbekannt.