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Demokratie und Kapitalismus – unvereinbar

Hello, Freunde des Fortschrittsfatalismus,

ein unmögliches Wort. Fortschritt ist frei, dynamisch, progressiv, ursprünglich menschheitsfreundlich. Fatalismus ist Ergebung ins Schicksal, eine selbstbestimmte Geschichte gibt es für ihn nicht. Beide Strömungen entstanden etwa zeitgleich im 17. und 18. Jahrhundert.

Die Aufklärung wollte Fortschritt in jedweder Hinsicht. Technischen Fortschritt als Voraussetzung des moralischen, moralischen Fortschritt als Voraussetzung des technischen. Der technische setzte sich durch und kassierte den moralischen. Heute ersetzen Technik, Wissenschaft und Wirtschaft die Moral. Wenn der Mensch selbst nur ein Automat ist, kann er die Gesetze der Natur nicht frei für sich einsetzen.

Die Aufklärer waren nicht frei vom Glauben an einen determinierten Gang der Geschichte. Noch immer waren sie Anhänger der unaufhebbaren Linearität der Geschichte, die ihren Weg geht, ob die Menschen ihn für richtig halten oder nicht:

„Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns bleibt nichts, als mutig gefaßt, die Zügel festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze da, die Räder wegzulenken. Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam.“ (Goethe, Egmont, II. Akt, Egmonts Wohnung)

Es sind nicht die Sonnenpferde, die mit dem Wagen der Geschichte durchgehen. Es sind die Pferdestärken der Riesenmaschinen, die uns vorwärts peitschen. „Was kommt auf uns zu?“ ist die Hauptfrage des Fortschrittsfatalismus. Dem Fortschritt kann man nicht entgehen. Er wird auf uns zukommen. Uns bleibt nichts, als

mutig gefaßt, die Zügel festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze da, die Räder wegzulenken. „Es glaubt der Mensch sein Leben zu leiten, sich selbst zu führen; und sein Innerstes wird unwiderstehlich nach seinem Schicksale gezogen.“

Schicksal kann man verschieden benennen: Fortschrittszwang, Zwangsbeglückung, Heilsdespotie, das Sein, das ES, das Gehirn, die Genetik, die Rasse, die soziale Klasse, die Umgebung, die Veranlagung – alles einerlei. Letztlich geht’s um die Frage: wer wen?

Wer bestimmt den Menschen? Was hingegen bestimmt der Mensch? Das autoritäre Schicksal bestimmt alles, das tolerantere lässt einige Kooperationsmöglichkeiten zu: „… vom Steine hier vom Sturze da die Räder wegzulenken“.

Wer spricht von Freiheit? Wir müssen. Wir müssen vorwärts, dürfen nicht zurückschauen – „erinnern wir uns doch kaum, woher wir kommen“ –, wir müssen reich werden, wirtschaftlich wachsen, wir müssen technisch perfekt und allmächtig werden. Wir müssen ewig mit uns unzufrieden sein, in ständiger Unrast die Zeit auskaufen, ununterbrochen Neues schaffen, wir müssen das Alte regelmäßig entsorgen. Wir müssen arbeiten um der Arbeit willen, nicht, um uns zu ernähren und uns unseres Lebens zu erfreuen. Wir müssen uns über Arbeit und Einkommen misstrauisch einschätzen. Wir müssen die Erde aussaugen.

Schon jetzt verbrauchen der Westen und der Norden das Vier- bis Fünffache dessen, was der Planet erträgt. Wären alle Länder auf unsrem Schlampamper-Niveau, wir benötigten auf der Stelle vier bis fünf neue Erden, um der Menschheit nicht die Lebenselemente abzuschnüren.

Die Moderne verkauft das Müssen als Freiheit. Die Freiheit der Fatalisten ist Einsicht in die Notwenigkeit des Fatums. Diese Form kollektiver Geistesverwirrung lässt keine Lösung der Menschheitsprobleme zu. Problemelösen setzt Freiheit der Problemlöser voraus.

Hier die typischen Aussagen eines renommierten Wirtschaftlers: „In allen Umfragen sprechen sich die Deutschen für mehr Staat und weniger Markt, für mehr Gerechtigkeit und weniger Freiheit aus. Sie wollen einen Mindestlohn, ein kostenloses Studium und vieles mehr, was auf den ersten Blick gerecht und sozial daherkommt, selbst wenn es sich bei genauerem Hinsehen als schädlich für die Ärmsten der Armen oder als Privileg für die Kinder wohlhabender Eltern erweist.“  (Thomas Straubhaar in der WELT)

Die neue Regierung setze nur blind den Willen der Mehrheit um. Und was will die unersättliche Mehrheit? Keine Freiheit, die Deutschen sind Stalltiere, höchstens die Freiheit zum Jammern. „Union und SPD setzen nur um, was die Mehrheit will: staatliche Wohltaten statt mutiger Veränderungen. Wer jammert, ist fehl am Platz.“

Vor kurzem noch wurden Untermenschen, Kranke und Behinderte aussortiert. Heute werden die Jammernden ausrangiert. Die Gesundheit der Gesellschaft besteht darin, die Kranken zu diffamieren und zu Kostenfaktoren zu degradieren.

Wie lange noch können wir uns Dicke und Sportverweigerer leisten? Demnächst werden unsere über Leben und Tod entscheidenden Krankenkassen ihre Mitglieder zum Besuch von Fitnesscentern verpflichten. Wer sich weigert, muss den doppelten Beitrag zahlen oder wird an die Luft gesetzt. So ’ne Art Müllabfuhr der Vielzuvielen, die nichts können, als den Wohlstand der Gesellschaft zu ruinieren.

(Nur nebenbei: das exquisite Bergeerklettern oder Skifahren drahtiger Manager sind erwünschte Risikofaktoren. Nur am Berg – hängend zwischen Himmel und Absturz – wächst der Charakter. Ohne Risiko keine Rendite. Die trägen Gruppen jammernder Ebenenkriecher sollten ausgedünnt werden zugunsten der Grenz-, Grenzannäherungs-, Grenzübersteigungs- und Grenzüberwindungsspezialisten. Ohne lebendige Grenzerfahrung ist das Leben gequirlte Kacke.)

Die Schlimmsten sind die Deutschen, die alle Welt mit Exporten zumüllen, aber nichts zustandebringen, als auf hohem Niveau zu jammern. Um diese deutsche Krankheit an der Wurzel zu besiegen, planen die Krankenkassen Kurse mit „Jammern auf verschiedenen Niveaus mit beliebig verstellbaren Stellschrauben – eine kleine Antwort an die Partei der Antijammerlappen.

Als Goebbels in seiner berühmten Rede die rhetorisch interessante Frage ins Publikum brüllte: Wollt ihr den totalen Krieg? hat er seinen gehorsamen Herrenmenschen die Antwort schon insinuiert: natürlich wollten sie alles, was nach totalitärer Totalität klang. Die heutigen Demoskopen und Ökonomen haben bei Goebbels gelernt. Nur keine richtigen Alternativen zulassen, sondern suggestive Entweder-Oder-Fragen stellen, die kein Oder zulassen.

Wollt ihr mehr Gerechtigkeit – oder mehr Freiheit? Gerechtigkeit natürlich, im Trog der Herdentiere gibt’s keine Freiheit. Wollt ihr Mindestlohn, kostenloses Studium – oder ein mühsames, entbehrungsreiches Hochleistungsleben? Wollt ihr lieber egoistisch leicht und gemütlich an den Zitzen des Staates schmarotzen – oder altruistisch und selbstaufopfernd an den Leitstellen der Gesellschaft tätig sein?

Unvermutet hat sich die Moral der Klassen auf den Kopf gestellt. Das Volk ist egoistisch, die Eliten opfern sich auf. Diese Caritas der Oberen muss natürlich entsprechend vergütet werden. Das Volk spürt, dass es von den Eliten als bequem und minderwertig verachtet wird, also gibt es aus Trotz den Eliten recht. Man müsste über das psychologische Einmaleins verfügen, um hinterfotzige Fragebögen richtig zu deuten. Die sinnvollste Antwort auf die meisten Fragen der Suggestionsartisten wäre: Sonst geht’s euch noch danke, ihr akademischen Spitzklicker?

Die Deutschen sind so intelligent geworden, dass sie ihren IQ beim Zuschauen von Jauchsendungen oder beim Ausfüllen von Intelligenztests herausfinden wollen. Fraget die umtriebigen Intelligenzmesser, was Intelligenz sei, und sie werden euch – ohne zu erröten – antworten: Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst. Auf gut Deutsch: was Intelligenz ist, bestimmen noch immer wir. Alles Nähere geht euch nichts an.

Wer so fragt – insinuieren sie – wird wissen, warum er seine Dummheit verstecken will. Intelligente Menschen füllen ohne Murren die Pisatests aus. Die Wissenschaftsredaktionen mit ihrem Dauerton übererregter Aha-Erlebnisse immer vorneweg. Mit Markus Lanz könnte man ständig Wow sagen, was Wissenschaft einem gehirnerweichten Publikum zu bieten hat.

Neulich wurde ein Kind vorgestellt mit dem IQ Einsteins. Dieses missbrauchte Kind wird froh sein müssen, wenn es eines Tages als Hilfslehrer vom Staat eingestellt wird. Der Begriff geistige Fremdoptimierungs-Pädophilie wurde erfolgreich unterdrückt. Den Erwachsenen genügt nicht ihre Selbstperfektion, sie müssen den ganzen Tag ihre Kinder hetero-optimieren.

Nachdem wir die Suggestionsmethoden der Volksbefrager dekonstruiert haben, können wir ihre versteckte Motivation freilegen. Glaubt ja nicht, ihr aufgeblasenen Jammerlappen, dass die neue Regierung was Sinnvolles bringt. Berlin? Dass ich nicht lache!

„Erstens spielt die Musik heute immer weniger in Berlin, sondern zunehmend in Brüssel und immer mehr auch auf den großen Weltbühnen internationaler Organisationen.“ Straubhaar ist professoraler Ökonom, also ein staatlich bezahlter Lobbyist gegen den Staat, ein V-Agent internationaler Organisationen, der Berlin die Kehle zudrücken soll.

Im ganzen Artikel kommt der Begriff Demokratie kein einziges Mal vor. Berlin, die Stadt eines neu gewählten Parlaments – soll die Geschicke der Nation bestimmen?

Eine größere Verachtung der Demokratie ist nicht denkbar. Unverblümt erklärt Herr Professor, dass „internationale Wirtschaftsverbände“ die Erde im Griff haben. Wenn rechte Gruppen derart staatsfeindlich herumtönen, sind sie ein Fall für den Verfassungsschutz.

Eine blendende Leistung der MPS – der Mont-Pelerin-Society, dem Ur-Thinktank aller Neoliberalen – die in einem halben Jahrhundert alle demokratischen Grundbegriffe zu kontaminieren und zu vergiften wusste.

In einer Demokratie gibt’s keinen Staat. Und wenn doch, nur als dienendes Instrument des Volkswillens. Wenn mehr: nur illegitimerweise als Putsch der Bürokratie über gewählte Volksvertreter.

Das Volk will nicht mehr Staat, es will mehr lebendige Demokratie. Das inflationäre Gerede vom Staat – von IQ-schwachen Linken blindwütig unterstützt – dient nur dazu, die Demokratie zu tranchieren. Scheibchen für Scheibchen. Die Postdemokratie – die Faschisten mit den Börsennotizen – steht nicht vor der Tür. Sie lümmelt bereits auf unserer Potatocouch und kommandiert uns herum.

Straubhaar ist Schüler der altösterreichischen Adligen von Hayek und von Mises, die sich anmaßten, der Demokratie vorzuschreiben, was sie tun darf und was sie zu lassen hat. Aus allen wirtschaftlichen Dingen soll sie sich raushalten. Warum? Zu dumm! Demokratie versteht nichts vom Markt.

Wie denn das? Jedes Kind versteht Markt. Da stehen bunte Tische mit den leckersten Sachen der Welt, die man kaufen und bewundern kann, in welchem Maß die Natur uns mit guten Dingen beschenkt – wenn wir das nötige Kleingeld haben. In einer guten Demokratie hat jeder das nötige Kleingeld.

Jetzt kommen wir einer historischen Fälschung unvergleichlichen Ausmaßes auf die Spur, höchstens vergleichbar der „Konstantinischen Schenkung“, in der sich die Seelenhirten des beginnenden Papsttums selbst bescheinigten, dass ganz Rom ihnen gehört. Heute glauben dieselben Hirten – auch der neue Oberhirt – dass die ganze Welt ihnen gehört.

Der Markt befand sich mitten in Athen, (noch immer der Wiege der Demokratie), hieß Agora und war das Debattenforum des Volkes. Aus einem Ort lebendiger Begegnungen und intensiver Debatten wurde ein Monstrum gemacht, das die Menschen unterjocht und entmündigt.

In Europa wurde der Markt zu einer päpstlich-unfehlbaren Maschine, vom Himmel gnädig auf die Erde herabgelassen, wo unterbezahlte Algorithmen ununterbrochen ausrechnen, was der Blumenkohl kostet.

Das stelle man sich vor: ihre wirtschaftlichen Dinge werden den Menschen aus den Händen gerissen und einer Alien-Institution überantwortet. Von wem? Von so genannten Fachleuten, die schnell merkten, dass Wenige sehr schnell reich werden können per forum indelebilis – einem unfehlbaren Ding, das es eigentlich gar nicht gibt. Keine Hausfrau braucht Markt, um die günstigsten Zwiebeln zu finden, keine Bäuerin braucht Markt, um den günstigsten Preis für ihre Äpfel und Birnen zu ermitteln.

Der kapitalistische Markt ist die Schändung des demokratischen Marktplatzes, die Entmündigung der Intelligenz aller Demokraten. „Habe ich einen Markt, der für mich Verstand hat, einen Anlagenberater, der für mich mit Geld umgeht, einen Zocker, der für mich ein Risiko eingeht, so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken“. So Kant über den Markt, wenn er ihn denn kennen gelernt hätte.

Das Geheimnis eines lebenssprühenden Marktes ist die quicklebendige Intelligenz des homo sapiens, der rechnen, fuggern, vergleichen und argumentieren kann. Doch diese Autonomie durfte nicht sein, sonst hätte man dem Menschen die Möglichkeit geboten, seine neue Mündigkeit im Denken und Handeln zu erproben.

Die Aufklärung musste zurückgeschraubt werden. Also musste der Markt der Selbstbestimmten in ein unsichtbares Drahtgitter der Fremdbestimmten verwandelt werden.

Selbst heute klappt das Prinzip des mündigen Tauschs auf Second-hand-Märkten wunderbar. Jeder kapitalistische Akt ist ein Akt der Begegnung, wo zwei gleichberechtigte Menschen selbst darüber bestimmen, wie sie sich behandeln wollen. Eine größere Intelligenz als ihre eigene brauchen Demokraten nicht, um ihre Angelegenheiten zu regeln. Hayeks göttlich überlegener Markt ist ein menschenverachtendes Maschinengehirn.

So wenig es einen Staat gibt, so wenig gibt es einen Markt. Alles Gespenster aus Harry Potters Gruselkiste. Der Kapitalismus mit seinem Gepränge ist wie jener Kaiser, über den ein Kind sagte: der hat keine Kleider an.

Von Mises gründete in Amerika eine Schule, die sich die Libertären nennen. Für diese Marktanbeter ist der Staat eine Erfindung des Teufels, der eliminiert werden muss, damit Gott-Markt zum alleinigen Papst der Welt ausgerufen werden kann. Das ist die augustinische Diffamierung des weltlichen Staates als teuflische Horde, im Vergleich zur perfekten Kirche, heute vergleichbar der unfehlbaren Ökonomie.

Gerechtigkeit – oder Freiheit? Das sind Fragen eines Rattenfängers von Hameln. Jeder Fragebogen der Szientologen ist seriös, verglichen mit solchen Machwerken aus den Denkfabriken der Industrie.

Frei ist ein Volk, wenn es seine Regierung bestimmt, die bestimmt, was Markt ist. Was Gerechtigkeit ist, bestimmt kein Gott, kein Markt, kein Hayek und keine Libertären. It‘s democracy, stupid!

Wenn das Volk eine schlechte Gerechtigkeit wählt und politisch verankert, wird es sich mit dieser selbst bestrafen. Doch in stabilen Demokratien gibt es die Gelegenheit, in korrektiven Wahlen und permanenten Debatten jene Form der Gerechtigkeit nachzujustieren, die seinen Vorstellungen entspricht (Poppers Stückwerk-Technologie).

Ein demokratischer Prozess ist ein kollektiver Lernprozess, in dem der Große Lümmel, peu à peu erproben kann, was er unter Gerechtigkeit und Freiheit versteht. Freiheit ist nicht das Gegenteil von Gerechtigkeit – wer hat denn diese Vollidiotie erfunden? –, sie sind identisch. Die gerechteste Demokratie ist die freieste. Weil – pardon für demokratisches Pathos – die Menschenwürde dann unantastbar ist, wenn sie in gerechten Verhältnissen lebt.

Ungerechtigkeit macht unfrei. Wie kann Menschenwürde unfrei sein, wenn sie gerecht ist? Straubhaar plädiert selbst für Gerechtigkeit, wenn er für ein System eintritt, das den Armen angeblich am meisten nützt. „… selbst wenn es sich bei genauerem Hinsehen als schädlich für die Ärmsten der Armen oder als Privileg für die Kinder wohlhabender Eltern erweist.“ Für ihn ist größte Freiheit identisch mit größter Gerechtigkeit. Herr Professor belieben, mit sich selbst im Clinch zu liegen. Ohnehin die Lieblingsbeschäftigung staatlich subventionierter Staatsfeinde, pardon, Demokratiefeinde.

Als die Moderne den Fortschritt erfand, verwandelte sie alle Tätigkeiten der Menschen in hypostasierte Dinge, auf Deutsch: in unsichtbare Maschinen. Die Gesellschaft wurde zur Maschine. Der Mensch wurde zur Maschine. Der Staat wurde zur Übermaschine vieler Untermaschinen, wozu die Wirtschaft gehörte.

Alle Korporationen und Institutionen wurden zu Systemen, dem Lieblingsthema der Systemforscher. System ist nur ein anderer Name für unsichtbare Maschine. Diese wiederum war Erbin der unsichtbaren Kirche, einer überaus fein ausgedachten Machtmaschine mit unfehlbaren Oberrädern und schrecklich fehlbaren Unterrädchen, die von den Oberrädern ständig zur Raison gerufen werden mussten.

Auch für Hayek war der Markt eine Supermaschine, die besser und schneller rechnen kann als alle Mathematiker zusammen. Das hat sich heute glänzend bewährt. Die Zentralcomputer der Finanzmärkte in New York und London sind so schlau und blitzschnell, dass sie den Menschen als Oberschiedsrichter abgesetzt haben und alles unter sich ausmachen. Die rechnen so lichtgeschwind, dass ihre Parkettdiener nicht die geringste Ahnung haben, was sie eigentlich rechnen.

Auf dem Finanzmarkt hat sich die Prophezeiung als wahr erwiesen: die Maschine hat die Macht über die Weltpolitik übernommen. Deus ex machina, Machina ex Deo. Gott ist tot, es lebe der Gott der Maschine. Der Kapitalismus mit seinen verdinglichten Käfigen und fiskalischen Zwingern hat den Menschen erfolgreich in das Stadium der Unmündigkeit zurückgeworfen. Insofern ist er der wirksamste Gehilfe der Gegenaufklärung und der Feinde der Demokratie.

Es bedurfte keines offiziellen Putsches gegen den souveränen Bürger. Es genügte die Etablierung einer Nebenmacht, die durch Aufrüstung zum System wurde, das die Grundsätze der Volksherrschaft langsam aber sicher unterhöhlte. Wer den Staat abschaffen will, will die Herrschaft des Volkes abschaffen.

Es versteht sich, dass es in deutschen Talkshows keine grundsätzlichen Debatten über Kapitalismus gibt. Man bombardiert sich mit Prozentzahlen und ewig gleichen Formeln. Selbst die Linken sind unfähig, den philosophischen Gehalt ihrer Kritik in deutscher Rede zu formulieren. Gedanken sind minderwertiges Bewusstsein und Bewusstsein ist der Knecht des Seins.

Der Hass aufs Selberdenken ist der Grund, warum keine Alternativen zum Kapitalismus im öffentlichen Diskurs zu hören sind. Höret, Geschwister:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Mit der Würde des Menschen ist Kapitalismus unvereinbar.

Also ist Kapitalismus mit Demokratie unvereinbar.

Ergo: der Kapitalismus muss angetastet werden.