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Das Leben lieben

Hello, Freunde des Lebens,

die Deutschen sind meisterliche Dialektiker und haben eine neue Form des Antisemitismus erfunden: den Philosemitismus. Sie raspeln Süßholz und tun, als verteidigten sie Israel. In Wirklichkeit lassen sie die Israelis immer weiter an den Palästinensern schuldig werden. Ohne sie zu warnen, ohne ihnen in die bewaffneten Arme zu fallen, ohne den geringsten Versuch zu unternehmen, sie vom menschen- und völkerrechtswidrigen Tun abzuhalten.

Im Gegenteil: BILD berichtet fast nur von Gewaltakten der Besetzten gegen ihre Besatzer, die in jedem sonstigen Fall als legitime Notwehr und verzweifelter Freiheitskampf gelten würden. Nur nicht hier, wo alle demokratischen Bewertungskriterien auf den Kopf gestellt werden.

Fast der gesamte christliche Westen wagt es nicht, die nie enden wollenden Untaten der israelischen Regierungen an den Pranger zu stellen. Womit sie sich als Mitläufer und Mittäter selbst schuldig machen. Obszön stellt sich Merkel auf die Seite der Besatzer und verurteilt mit immer gleichen Ritualformeln die ohnmächtigen Opfer der allgewaltigen Besatzer.

Die ganze Welt betrachtet den Nahostkonflikt als Schaufenster des Westens, als jahrzehntelanges Beispiel der religiösen Heuchelei der Herren der Welt, wie sie ihre angeblich überlegene Liebesmoral

in die Tat umsetzen.

Der gewalttätige Widerstand vieler Muslime gegen westlichen Lebensstil und postkoloniale Macht ist der Erfahrung entsprungen, dass der christlich-jüdische Westen nicht daran denkt, seine ungerechte und bigotte Weltpolitik zu revidieren, wonach die Botschaft der Liebe sich am liebsten anhand des Einsatzes von Raketen und Drohnen beweist.

„Tut nichts – der Jude wird verbrannt“: der Satz des Patriarchen aus Nathan dem Weisen ist Kernstück des uralten Antisemitismus der Europäer, die den Juden als Sündenbock zur Tilgung ihrer eigenen Schuld, als Erklärung ihres Versagens, als Ursache ihres Unglücks missbrauchten.

Die Urfigur des verhassten Juden ist Judas, der Verräter des Herrn. Doch Judas war nur hilfloses Werkzeug des himmlischen Vaters, der seinen Sohn ans Messer lieferte, um der bizarren Logik seiner Rachebedürfnisse Genüge zu tun. Judas‘ Verrat war ein notwendiger Bestandteil des göttlichen Erlösungsprogramms. Ohne Judas weder Tod, noch Auferstehung und Verklärung des Sohnes zum Herrscher des Universums.

Die von allen guten Geistern verlassenen Christen müssten Judas als Vorläufer Christi auf den Knien anbeten. Im Auftrag Gottes musste Judas seinen geliebten Herrn verraten, damit die Geschichte der Erlösung vorschriftsmäßig abgewickelt werden konnte. Selbst Petrus‘ Versuch, die Häscher der Hohenpriester mit dem Schwert abzudrängen, wird von Jesus streng zurückgewiesen: „Meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel zur Seite stellen? Wie sollen dann die Schriften erfüllet werden, dass es so kommen muss?“

Auf dass die Schrift erfüllet werde: das war die gehorsame Tat des Judas, der seine Mission erfüllen musste, damit die Heilsgeschichte ihren vorgesehenen Lauf nehmen konnte. „Der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht, aber wehe dem Menschen, durch welchen der Sohn des Menschen verraten wird! Es wäre ihm besser, wenn er nicht geboren wäre, jener Mensch.“

Gott missbraucht Menschen als Werkzeuge seines Heilsprogramms. Haben sie getan, was sie tun mussten, werden sie für ihr Tun grausam bestraft.

Christen müssten den Juden ewig dankbar sein, dass sie ihren Teil der Schuld auf sich nahmen, um ihren seltsamen Landsmann Erlöser der Christen werden zu lassen. Für die Schlüsseltat der Erlösung werden sie bis heute von den Christen gehasst und verflucht.

Haben die Christen die Programmatik ihrer Heilsgeschichte nicht verstanden? Zeigt sich im Hass auf die Ermöglicher der Erlösung der tief verborgene Hass auf den Erlöser selbst?

Nicht auszuschließen, dass im letzten Abgrund ihrer schwarzen Seele die Germanen und ihre europäischen Nachkommen sich noch immer dafür hassen, dass sie ihrem eigenen Glauben untreu wurden und zu einem fremden Glauben überliefen. (So sieht es Boris Groys, der russisch-jüdische Philosoph in seinem Vorwort zu Theodors Lessings „Der jüdische Selbsthass“.) Das gälte auch für den Fall, dass sie zu diesem Fremdglauben mit dem Schwert gezwungen wurden.

Vielleicht können sie sich diese Fremdbestimmung in der wichtigsten Angelegenheit des Lebens – dem ewigen Heil und Unheil – bis heute nicht verzeihen. Um sich mit diesem Selbsthass nicht auseinandersetzen zu müssen, werfen sie ihn als Fremdenhass auf die Juden, um nach Belieben einen Sündenbock ihres Versagens zu haben.

Der Akt der Europäer, sich auf die Grundwerte des christlichen Abendlands zu berufen, ist kein Akt ruhiger und stolzer Selbstvergewisserung. Er geschieht mit zusammengebissenen Zähnen und aggressiven Untertönen und schließt alle aus, die den rechten Glauben nicht teilen. Die zunehmende Fremdenfeindschaft der Europäer ist eine immer mehr ans Licht drängende Feindschaft gegen Andersgläubige.

Wie bei Huntington sagt die europäische Identität: wir sind wir, weil wir unsere Feinde kennen, die nicht zu uns gehören. Zu diesen Feinden gehören alle Falsch- und Ungläubigen von den russisch Orthodoxen bis zu den muslimischen Türken. Europäer sind feiger als Amerikaner, die aus ihrer zunehmenden Ablehnung aller nicht-angelsächsischen, nicht-weißen, nicht-protestantischen Einwanderer keinen Hehl machen.

Deutschland besitzt ein Asylrecht, in dem der zweite Teil die Aussagen des ersten Teils schlechthin durchstreichen. In Artikel 16a des GG steht lapidar: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ In den Absätzen 2 bis 5 des Asylrechts wird „Politik“ so eingeschränkt, dass kaum ein Asylbewerber den Bedingungen gerecht werden kann.

Der Hass auf die Juden war eine Konstante in der europäischen Geschichte. Nicht immer und überall kam es zu schrecklichen Taten, doch die Hassgefühle waren dauerpräsent und konnten jederzeit und an jedem Ort ausbrechen. Kein Wunder: kein Kanzelprediger verzichtete darauf, seine donnernde Wirkung mit einem glaubensfördernden Abscheu gegen die Christusmörder anzuheizen.

Unter den Judenhassern ragte der Reformator der Deutschen heraus, der inzwischen zur Leitfigur der Moderne avanciert ist und immer mehr zur Gründungsfigur der deutschen Demokratie emporgehoben und ungehemmt verfälscht wird.

Kaum ein bedeutender Name unter den deutschen Dichtern und Denkern – darunter selbst Aufklärer Kant –, die ihre Identität nicht durch Judenhass aufbessern wollten. Deutsch sein hieß: unter keinen Umständen Jude sein.

Auf diesem Boden gedieh prächtig die berühmte deutsch-jüdische Symbiose, eine Vorläuferin des Philosemitismus‘ der Eliten der Gegenwart. Da den Deutschen strengstens verboten ist, aus ihrer kriminellen Geschichte zu lernen – weshalb sie dem Motto folgen: wehret den Anfängen –, kapieren sie nicht, dass ihr heutiger Philosemitismus die Wiederholung der deutsch-jüdischen Symbiose des 19. Jahrhunderts ist.

Kaum waren sie, nach dem Ersten Weltkrieg, auf dem Tiefpunkt ihrer nationalen Minderwertigkeitsgefühle angelangt, benötigten sie wieder ihren traditionellen Sündenbock, den sie im Herzen treulich bewahrt hatten. Über Nacht kippte die deutsch-jüdische Symbiose und verwandelte sich in eine deutsch-jüdische Vernichtungsorgie.

Heute überbieten sich die Merkels und Gaucks an politisch korrekter ewiger Liebe der Deutschen zu allen Juden dieser Welt und dem Staat Israel im Besonderen. Vorneweg die vor antisemitischem Philosemitismus triefende BILD-Postille, die nicht aufhört, die Schuld Israels kritiklos ins Unermessliche wachsen zu lassen.

Das Umkippen dieses Schuldenturms in einen babylonischen Sündenturm, der beim Zerfall schreckliche Folgen nach sich ziehen muss, kann nur eine Frage der Zeit sein. Für diese scheinliebenden Judenhasser gilt das leicht veränderte Wort Goethes:

Ihr lasset die Juden schuldig werden.

Dann überlasst ihr sie der Pein.

Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.

Im Verlauf der europäischen Geschichte hat sich der christliche Antisemitismus in verschiedensten Kostümierungen und Verkleidungen präsentiert. Der Rassismus war noch am leichtesten zu durchschauen. Die Deutschen wollten auserwählter sein als das auserwählte Volk, also definierten sie ihre Auserwähltheit als arische Überlegenheit. Das war so dämlich wie durchsichtig.

Verhängnisvoller war der zumeist ernst gemeinte Versuch, die Juden zu lieben, wie es ihnen von ihrem Erlöser aufgetragen war. Das taten sie denn auch: sie liebten die Juden wie sich selbst. Da sie sich im Grunde ablehnten, verfluchten sie die Juden, wenn ihre schüchternen Annäherungsversuche von diesen „Selbstgerechten“ mit List und Tücke zurückgewiesen wurde: diese verstockten Gottesmörder haben unsere Liebe und Anerkennung nicht verdient. Sie trampeln auf unseren Gefühlen herum und verhöhnen sie mit Schadenfreude und Triumphgeheul.

Kein Hass kann brennender sein als nach verschmähten Liebesschwüren. Das Dritte Reich war nicht zuletzt die Quittung auf eine trügerische und doch bitter ernst gemeinte deutsch-jüdische Herzensgemeinschaft. Enttäuschte Gutmenschen neigen dazu, die Objekte ihres guten Willens post agapem in den Boden zu stampfen.

Womit wir den Boden der heutigen deutsch-israelischen Tragödie betreten hätten, auf dem gutmeinende und schlechttuende Blätter wie BILD vor vergiftetem Philosemitismus nicht mehr aus den Augen schauen können. Je schlimmer die Racheaktionen einer allgewaltigen Militärmacht gegen eine ungeschützte zivile Bevölkerung, desto blinder und verhängnisvoller die „Solidaritäts“artikel der Springer-Redakteure, die schon bei ihrer Einstellung einen Vertrag bedingungsloser Loyalität zu Israel unterschreiben müssen.

Die einfachste Erfahrung zeigt, dass abgenötigte Menschenliebe ins Gegenteil kippt, wenn sie den Zenith ihrer Vergötzung überschritten hat. Nur kritisch durchwachsene Zuneigung kann sich am Leben erhalten und beiden Seiten nützlich sein. Von dieser Voraussetzung des gesunden Menschenverstandes sind BILD und Deutschland himmelweit entfernt.

Schnell ist die Schuld festgestellt, wenn Hamas wieder einmal Raketen auf israelische Städte und Dörfer abfeuert. Schuldspiralen, die nach biblischer Vorstellung erst bei Adam und Eva enden, kann man an beliebiger Stelle abschneiden. Nach dieser trostlosen Art der Beweisführung kann man ad libitum jeder Seite der Beteiligten die aktuelle oder historische Schuld zuweisen.

Konflikte löst man nicht, indem man in manischer Besessenheit Gründe für die Rechtmäßigkeit der eigenen Rachegefühle sucht. Immer der Stärkere hat die Pflicht, dem Schwächeren die Hand hinzustrecken, damit jener Zutrauen gewinnen und die ausgestreckte Hand ergreifen kann. Der weitaus Stärkere im Nahost-Konflikt ist Israel.

Nicht selten ist zu lesen, die Deutschen würden nichts lieber tun, als ihre Opfer zu Tätern zu machen, um ihre eigene Schuld nachträglich zu relativieren. Psychisch ist dieser Mechanismus nicht auszuschließen. Sind aber die Israelis noch immer die Opfer der Deutschen? In historischer und psychologischer Hinsicht sind sie es und werden es lange bleiben. Die Erinnerung an das Grauen lässt sich nicht in wenigen Generationen hinwegreden.

Doch was die Tagespolitik betrifft, sind die Israelis keine Opfer der Deutschen mehr. Als Volk unter gleichberechtigten Völkern kann Israel keinen Opferbonus mehr für sich reklamieren. Im Gegenteil, der junge zionistische Staat hat sich zu einem gewaltigen Machtgebilde entwickelt.

Weit davon entfernt, noch immer Opfer zu sein, hat Israel die Palästinenser zur Opfernation gemacht, sich selbst zur Täternation entwickelt. Nein, nicht Täter in dem Sinn, wie es die Deutschen zu ihnen waren, aber doch Täter, die ein unschuldiges Völkchen nicht nur militärisch unterdrücken, sondern sich an seinem Territorium – vor der Forum der ganzen Welt – unablässig bereichern.

Was der Westen Putin am Beispiel der Krim vorwirft, schluckt er am Beispiel der nicht enden wollenden imperialistischen Siedlungspolitik Jerusalems.

Es führt kein Weg daran vorbei: die ehemaligen Opfer der Deutschen haben die falschen Schlüsse aus dem Holocaust gezogen und fühlen sich berechtigt, unbeteiligten Dritten peu à peu das Land abzujagen und ihnen ihren faschistischen Willen vorzuschreiben. Moshe Zimmermann, der israelische Historiker, bestätigt diesen Befund in der BLZ: Es zeige sich, „dass der Rassismus sogar unter den Opfern des europäischen Rassismus, nämlich bei den Juden, Fuß fassen konnte.“ (Moshe Zimmermann in der BLZ)

Es scheint eine große Kränkung ihres Selbstbewusstseins zu sein, dass Juden zum Mord oder zur Rache fähig sein sollen. Doch auch sie sind Menschen und unterliegen menschlichen Gesetzen. Es wäre ein Wunder, wenn Menschen, die man so schrecklich traktierte, keine Rachegefühle kennen würden.

Die Rache könnte darin bestehen, dass keine manifeste Rache gezeigt wird, um den Schuldigen noch mehr glühende Kohlen aufs Haupt zu sammeln. Das ist die Art nächstenliebender Christen, die ihre Demut allen Menschen angedeihen lassen, um sie für immer in der Hölle schmoren zu lassen. Irdische Rachebedürfnisse werden unterdrückt, um sie in akkumulierte ewige Strafen zu verwandeln.

In ihrer langen Geschichte haben die Juden sich bemüht, den Rachegeist des Alten Testaments in eine vernünftige Ethik umzuwandeln. Für Moses Mendelssohn oder den Neukantianer Hermann Cohen war die Moral des Alten Testaments identisch mit allgemeiner Vernunftmoral. Dabei übersahen sie, dass autonome Vernunft nicht auf Götter angewiesen ist.

Auch für Zimmermann zeigt sich der wahre Geist des Alten Testaments im Liebesgebot: „Darum sollt ihr auch die Fremdlinge lieben; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland“ (5.Buch Mose: 10,19)“. Und gerade nicht im Tötungsgebot aus einem der großen Auslegungswerke zum Alten Testament: „Auch den besten unter den Völkern (Gojim) darfst Du töten“ (Midrasch Mechilta).“

Damit will Zimmermann den Hass der Ultras, der immer mehr die israelische Gesellschaft infiltriert und den sie aus dem Alten Testament ableiten, als nicht schriftgemäße Deutung zurückweisen. Echte religiöse Juden hätten das Alte Testament nie zur Legitimation ihres Hasses gegen die Gojim benützt.

Die Rettung des Alten Testaments durch Zimmermann muss allerdings so missglücken wie die Rettung des Neuen Testaments durch christliche Theologen. Die Bibel enthält völlig widersprüchliche Anweisungen, die von den jeweiligen Glaubensrichtungen willkürlich selektiert werden. Dabei übersehen die Schriftausleger, dass die positiven Elemente die negativen legitimieren, sodass die bösen Stellen durch die Lizenz der guten noch böser werden.

Zimmermann will den Rassismus der israelischen Gesellschaft entschärfen, indem er ihn als Import aus Europa deklariert. Doch woher eine Moral kommt, ist belanglos. Wichtig ist einzig die Tatsache, welche Moral aus eigenem Entschluss übernommen wurde, um sie in die Tat umzusetzen. Jeder ist für seine Moral selbst verantwortlich, gleichgültig, woher er sie bezieht.

Woher kommt der Hass in der israelischen Gesellschaft? Uri Avnery hat einige Stimmen zur momentanen Stimmung in der Gesellschaft gesammelt:

„Israels führende Politiker ließen einen Hetzsturm los, der woanders als regelrechter Faschismus angesehen worden wäre.“ Hier einige Beispiele: „«Eine ganze Nation und Tausende von Jahren Geschichte verlangen: Rache!» «Dies ist der richtige Moment. Wenn unsere Kinder verletzt werden, fangen wir an zu toben, grenzenlos, demontieren die Palästinensische Behörde, annektieren Judäa und Samaria, exekutieren alle Gefangenen, die wegen Mord verurteilt wurden, vertreiben Familienmitglieder von Terroristen!» Und Benjamin Netanjahu selbst spricht über das ganze palästinensische Volk: «Sie sind nicht wie wir. Wir heiligen das Leben, sie heiligen den Tod!» Außer ein paar einsamen Stimmen, schien es, dass das ganze Israel sich in einen Fußballmob verwandelt habe und „Tod den Arabern!“ schrie.
(Kann sich heute irgendjemand eine europäische oder amerikanische Menge vorstellen, die „Tod den Juden!“ schreit?)“ (Uri Avnery)

Wenn Netanjahu behauptet: das Friedensproblem mit den Palästinensern sei unlösbar, wenn er sie aus der Gattung der Menschen ausschließt mit dem Argument, sie heiligten den Tod, im Gegensatz zu den Juden, die das Leben heiligten, dann ist seine intolerante dualistische Religionssicht auf die Welt absolut friedensunfähig. Er muss alles unternehmen, um den Konflikt mit Gewalt zu lösen. Auch wenn er aus Propagandagründen tun muss, als glaube er noch immer an einen Frieden mit den „Untermenschen“.

Über die biblischen Ursachen der israelischen Friedlosigkeit hat Uri Avnery eine andere Meinung als Moshe Zimmermann:

„Keiner scheint sich je viele Gedanken über die ethische Seite der Eroberung Kanaans gemacht zu haben. Gott versprach den Kindern Israels ein Land, das die Heimat anderer Völker war. Er sagte ihnen, diese anderen Völker zu töten, ja ausdrücklich befahl er ihnen, Völkermord zu begehen.“

Avnery sieht keinen wesentlichen Unterschied zwischen Altem Testament und Haggada:

„Da gibt es zwei Sätze in der Haggadah, die immer noch eine tiefe Wirkung auf die Gegenwart haben. Einer der zentralen Gedanken, auf den fast alle Juden ihre historische Ansicht gründen: «In jeder Generation erheben sie sich gegen uns, um uns zu zerstören.» Dies gilt nicht für eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort. Es wird als eine ewige Wahrheit angesehen, die für alle Orte und Zeiten gilt. … Es drückt die ganze bewusste und unbewusste Überzeugung fast aller Juden aus, ob in Los Angeles, Kalifornien oder in Lod in Israel. Es lenkt sicherlich die Politik des Staates Israel.

Der zweite Satz, der den ersten ergänzt, ist ein Schrei zu Gott: «Giesse deinen Zorn über die Völker, die dich nicht kennen […] denn sie haben Jakob verschlungen und sein Haus verwüstet! Möge dein lodernder Zorn sie ereilen! Verfolge sie unter den Himmeln des Herrn.»“ (Uri Avnery in Zeit-Fragen)

Selbstkritische Stimmen aus Israel werden von philosemitischen deutschen Medien so gut wie nie abgedruckt. Hin und wieder schlägt einem Redakteur das Gewissen und ein Moshe Zimmermann darf einen Alibiartikel veröffentlichen.

Die verhängnisvolle Rolle der Religion wird in Israel so tabuisiert wie in Deutschland. Im Schutz dieses Tabus kann der heilig gesprochene Hass der Religiösen die Gesellschaften des Westens zur Friedensunfähigkeit verdammen.

Solange es in Europa, Israel und Amerika keine grundsätzliche Kritik der Religion gibt, wird der Unfrieden weiterhin die Welt verunstalten.