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Alles hat keine Zeit XLIX

Tagesmail vom 02.12.2020

Alles hat keine Zeit XLIX,

nicht die Ränder der Gesellschaft sind das Problem, sondern die Mitte.

Die Mitte duldet kein Ausfransen der Ränder und beauftragt ihre Kontrollhunde, die fortschreitende Herde zusammenzuhalten. Was nicht bedeutet, alle Mitglieder der Herde werden das Ziel erreichen. Es bedeutet, dass alles, was zugrunde geht, innerhalb der Herde zugrunde gehen muss. Die Herde legt Wert darauf, ihre Versager selbst zu produzieren, ins Abseits zu drängen und kontrolliert zu beseitigen. Das Abseits muss innerhalb der Herde bleiben, damit die Sieger ihre abgehängten Rivalen mit Genugtuung in Elendsvierteln kasernieren können.

Es sind Konkurrenzen und Machtkämpfe innerhalb der Herde, die Sieger und Verlierer hervorbringen und die einen von den andern separieren. Das Separieren darf kein Abspalten sein. Die Grenzen zwischen Gewinnern und Versagern müssen innerhalb der Herde verlaufen. Niemand darf aus eigener Kraft ausscheren, um die Herde von außen anzubellen.

Es ist das Stimulans der vorwärts drängenden Herde, sich durch Kenntlichmachen ihrer Schwächsten ständig zu erneuern und fit zu halten. Der Lauf der Dinge darf nie geändert werden – bis er sich eines Tages selbst in die Luft sprengen wird. Dann werden die Sieger sich rühmen, die Herde ans vorgeschriebene Ziel der Vollendung gebracht zu haben, einer Voll-endung, die identisch ist mit dem Ende.

Dann wird sich zeigen, die Sieger werden die Gehorsamsten gewesen sein. Sie vollbrachten, was der Hirt der Herde ihnen vor Zeiten aufgetragen hatte.

Im Axel-Springer-Haus trafen sich exzellente Herdenführer zur Siegesfeier:

„Elon Musk, der Seriengründer aus dem Silicon Valley, und geladene Gäste erlebten in der 19. Etage des Berliner Axel-Springer-Hauses, wie es sich anfühlt, von der Erde ins All zu fliegen. Auf riesigen Leinwänden um sie herum verfolgten sie den Abflug vom Dach des Hochhauses – aus der Perspektive der Astronauten.“ (WELT.de)

Wer andere auszeichnet, will selbst geehrt werden. Der Rühmende kannte den Gerühmten, als die Menschheit noch nicht an dessen Genie glaubte:

„«Als ich Elon vor einigen Jahren zum ersten Mal traf, vertrauten nicht viele Menschen seinen Visionen oder seinen Fähigkeiten als CEO», sagte er. «Lange Zeit schien er ein zu großer Regelbrecher zu sein, ein Business-Punk. Aber er hat allen gezeigt, auch hier in Deutschland, wie falsch sie waren.»“

Was nützt alle Begabung, wenn ihr Ruhm nicht in der Welt verkündet wird? Mathias Döpfner umgibt sich mit Visionären, um seine eigene visionäre Kraft leuchten zu lassen. Er tut, was seine Kanzlerin ihm aufgetragen hat: die Wirtschaft müsse der Politik Druck machen, damit das Land nicht zu den Verlierern der Welt werden kann. Nicht Politik bestimmt die Wirtschaft, die Wirtschaft treibt die Politik vor sich her, um ratlosen Staatslenkern zu zeigen, wohin die Reise gehen soll.

„Auf riesigen Leinwänden um sie herum verfolgten sie den Abflug vom Dach des Hochhauses – aus der Perspektive der Astronauten. Virtuell angekommen im All sprach Vorstandschef Mathias Döpfner mit Musk über seine Vision für die Zukunft der Menschheit auf der Erde und im Weltall. Dass es den Unternehmer auch selbst dorthin zieht, daran ließ er kaum einen Zweifel. „In zwei oder drei Jahren werde ich selbst ins Weltall fliegen“, sagte Musk. Sein größtes Projekt ist es aber, die gesamte Menschheit ins All zu bringen. Im Gespräch mit Döpfner wurde deutlich, dass Musk sowohl auf der Erde als auch im All daran arbeitet, die Zukunft der Erdbevölkerung zu sichern – und das mit den Mitteln eines Unternehmers.“

Kein einziges Mal fällt der Begriff Klimakatastrophe und dennoch geht es um die Rettung der Menschheit vor den Hitzewellen der Erde. Nicht die aufmüpfige Jugend, nicht alarmistische Wissenschaftler, nicht die erbärmliche Politik wird die Menschheit erlösen, sondern „die Mittel eines Unternehmers“. Nicht irgendeines Unternehmers, sondern eines ingeniösen Technikers und Anbeters des Fortschritts.

„Musk sagte, er gehe davon aus, dass in sechs Jahren erstmals Menschen auf dem Mars landen werden. „Wenn wir Glück haben, können wir es schon in vier Jahren schaffen“, sagt er. Flüge zum roten Planeten seien alle 26 Monate möglich, weil es dann eine günstige Annäherung an die Erde gibt.“

Wie viele Erdenflüchtlinge haben Platz in einer Rakete? Wie groß ist die Anzahl der gesamten Menschheit? Jeder kann selbst ausrechnen, wie viele Noah-Raketen auf den Mars fliegen müssen, um die Menschheit zu retten. Mit solchen Kinkerlitzchen gaben sich die Retter der Welt im Springer-Haus nicht ab. Sie sehen das Große und Ganze. Und das werden sie, solange sie auf Erden weilen, nicht mehr aus den Augen verlieren.

Wollte man früher als Weltenretter nicht Erlöser oder Messias heißen, nannte man sich Übermensch. Übermenschen sind Repräsentanten der Erlöserreligionen:

„Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich.“ „Ich habe gesagt: ihr seid Götter und allzumal Kinder des Höchsten.“ „Wer an mich glaubt, der wird Größeres tun als die Werke, die ich tue.“

„Jesus verheißt seinen Jüngern (nicht Jüngerinnen) eine Geisteskraft, die sie befähigt, noch größere Werke zu tun als er selber.“

Das phantastische Rechenexempel wird mit einem schlichten Gleichnis gelöst:

„Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet?“

Ein Prozent wird gerettet, 99 Prozent gehen verloren. Das zeigt, Fortschritt ist Erfüllung der Heilsgeschichte. Doch kann das Fortschritt sein, wenn die Verheißungen über 2000 Jahre alt sind? Fortschritt konnte erst entstehen, als Verheißungen der Wiederkehr des Herrn nicht eintraten. Fortschritt ist menschlicher Ersatz für den Fehl Gottes, der nicht erfüllen konnte, was er versprach. Die Urform himmlischen Versagens ist der Ursprung menschlicher Gottwerdung, die den Makel Gottes kompensieren muss.

In seinem entlarvenden Buch „Der Übermensch“ zeigt der Theologe Ernst Benz den Zusammenhang von fehlgeschlagener Wiederkehr mit technischem Fortschritt – der einen humanen Fortschritt kategorisch ausschließt. Denn Humanität schließt eine Technik aus, die die Inhumanitäten des Menschen überdecken muss:

„Die politischen und sozialen Revolutionen, die alle unter dem Leitbild einer Utopie standen und letzthin alle „das Gottesreich mit Gewalt herbeizwingen“ wollten, sind Geschichtserscheinungen der christlichen Aera, mögen sie sich noch so antichristlich gebärden. Von theologischer Seite wird heute viel zu schnell und unüberlegt von der „Dämonie“ der modernen Wissenschaft gesprochen. Aber diese moderne Wissenschaft und Technik ist selbst nur Begleiterscheinung, wenn nicht das Ergebnis eines spezifisch christlichen Verständnisses von Gott, Mensch und Universum. Denn sie setzt in ihren Ursprüngen den christlichen Gedanken von Gott als Schöpfer, von der Welt als geordneter Schöpfung voraus. Wenn heute der Mensch durch Technik die Natur umformt … und die Evolution selbst zu lenken beginnt – wäre es nicht ein Armutszeugnis für Gott, wenn all dies nur als Rebellion gegen Gott verstanden würde? Jedenfalls scheinen mir jene Forscher, die von einer zukünftigen Vervollkommnung des Menschen überzeugt sind und das Unbehagen des jetzigen Menschen als Seufzen nach einer zukünftigen Erneuerung verstehen, der evangelischen Verheißung näher zu stehen als jene anderen Theologen, die nur eine grundsätzliche Verderbtheit, Sündhaftigkeit und Unverbesserlichkeit des Menschen kennen. Das urchristliche Menschenbild der alten Kirche und das scheinbar unchristliche Menschenbild der modernen Naturwissenschaft sind durch eine geheimnisvolle Verwandtschaft miteinander verknüpft: durch den Glauben an einen neuen Menschen.“

Deutlicher kann die Verbindung von Fortschritt und Heilsgeschichte nicht formuliert werden. Im biblizistischen Amerika ist dieser Zusammenhang die Grundlage des nationalen Überlegenheitsgefühls.

Deutschland steht wie ein Ochs vorm Berg und dementiert jeglichen Zusammenhang zwischen Welt und Glauben. Während die Großkirchen sich ihres apokalyptischen Pflichtfurors immer mehr schämen, schlägt die Stunde der Evangelikalen, die überzeugt sind: der Herr steht vor der Tür. Diesmal wird er seine Jungfrauen nicht im Stich lassen:

„Weltweit habe sich aber schon vor Corona ein gegenläufiger Trend abgezeichnet, sagt der Professor: «Erfolgreich sind derzeit eher Religionsgemeinschaften, die sich als Gegenmodell zur Aufklärung positionieren.»“ (TAGESSPIEGEL.de)

Hier sehen wir die wahren Gründe der zunehmenden Wissenschafts- und Aufklärungsfeindschaft. Die Medien wollen diese Zusammenhänge nicht sehen, sonst müssten sie, statt die Toren zu schmähen, die Religion des Abendlandes en bloc in die Pfanne hauen.

Wenn dem so ist, kann die Ursache der Lähmung in der Klimapolitik nicht länger unklar bleiben. Es muss ein isländischer Schriftsteller sein, der die Frage aller Fragen stellt:

„Greta hätten viele beinahe nicht mehr zugehört, weil sie uns zurief: „Ich möchte, dass ihr in Panik verfallt!“ Aber in 70 Jahren werden Leute zurückschauen und fragen: Warum um alles in der Welt seid ihr eigentlich nicht in Panik geraten? Oder warum seid ihr in Panik geraten wegen eines kleinen Virus, an das sich dann wahrscheinlich keiner mehr erinnern wird, nicht aber wegen der sich abzeichnenden Klimakatastrophe?“ (Sueddeutsche.de)

Ob die westliche Moderne es weiß oder nicht: sie ist tiefengeprägt vom Endzeitdenken ihres Glaubens, an dem sie festhält, selbst wenn sie von den Kirchen nichts mehr wissen will. Würde sie energische Weltrettung betreiben durch Rettung der Natur, wäre das offene Rebellion gegen den eschatologischen Gott. Nicht Menschen dürfen die Erde retten, sondern allein der Erlöser. Sola gratia, sola scriptura, allein durch Gnade, allein durch die Schrift.

In Deutschlands Medien beginnt bereits der offizielle Kampf gegen die Aufklärung – im Mantel einer sogenannten Toleranz gegen fundamentalistische Strömungen, die immer öfter zu terroristischen Glaubenstaten bereit sind:

„Aber da ist noch etwas anderes: europäische Selbstüberschätzung. Glaubt Macron wirklich, er könne die Welt auf das französische Verständnis von Laizismus und die französische Wertschätzung von Blasphemie verpflichten. Rücksichtnahme auf religiöse Empfindlichkeit ist keine Selbstzensur und Macrons Variante von Laizismus kein universeller Wert. Aber ich definiere Freiheit anders als Emmanuel Macron. Zurückhaltung und Respekt für die Sensibilität anderer ist weder ein Einknicken vor Islamismus noch Selbstzensur. Macrons Variante von Laizismus kein universeller Wert. Glaubt Macron wirklich, er könne die Welt auf das französische Verständnis von Laizismus und die französische Wertschätzung von Blasphemie verpflichten? An Religionen wirkt vieles bizarr – umso mehr an einer, in die man selbst nicht von Kind an hineingewachsen ist. Die Frage ist vielmehr, ob das eigene Nichtverstehen ausgehalten wird. In Deutschland, wo bald 40 Prozent konfessionslos sind, hat sich eher das Dogma durchgesetzt, alles müsse in medialer Kürze verständlich sein und für Unverstandenes brauche die Mühe der Toleranz eigentlich nicht aufgebracht zu werden.“ (TAZ.de)

Eine linke Schreiberin kann nicht unterscheiden zwischen totalitärem Glauben und einer Aufklärung, deren Toleranz endet, wo der Vernichtungswille einer unfehlbaren Religion beginnt. Macrons scharfe Äußerungen wirken provokativ, weil Merkel und die gesamte EU zu feige sind, ihm beizustehen. Das beschädigt die grundlegende Solidarität des vereinten Europa und wird sich rächen. Nicht Wirtschaft und Macht halten die Völker zusammen, sondern Toleranz gegenüber Andersdenkenden – aber nicht gegen Fanatiker, die alle Toleranz vernichten. Hier walte das Gesetz.

Der beispiellose Kampf französischer Aufklärer gegen die Kirche wurde von der deutschen Aufklärung nicht solidarisch übernommen. Kant trennte zwar Vernunft und Glauben, aber er kuschte vor dem Wöllner-Edikt und glaubte an einen Status quo mit dem Christentum. Er machte sich nicht klar, dass Gläubige sich nur verträglich geben, wenn man ihnen die Furcht- und Schrecken-Macht über ihre Schäfchen genommen hat. Solange sie machtlos sind, appellieren sie an Toleranz – bis sie wieder so mächtig geworden sind, dass sie die Toleranz in die Hölle verbannen.

Über den Ton Macrons kann man sich – zumal aus außenpolitischen Gründen – streiten. Doch seine Sache ist identisch nicht nur mit Gedanken der mutigsten Europäer, sondern mit der Uraufklärung in Athen. Die Alten haben schon alles gesagt, was noch heute zu sagen wäre, schrieb Voltaire:

„In den Jahren des Kampfes betrachtete Voltaire die Geschichte des Christentums vorwiegend als Unglück für die Menschheit. Nach und nach wurde das Leuchten klassischer Kultur verdrängt, bis zu jener Verdüsterung des europäischen Geistes, die jahrhundertelang andauerte. Die französischen Philosophen setzten allein auf natürliche Ethik. Sie traten für eine Moral ein, die, unabhängig von der Religion, deshalb stark genug wäre, um Krisen zu überstehen. Der Kosmopolitismus verbreitete sich über Frankreich hinweg über ganz Europa. Rousseau, wiewohl nicht immer einer Meinung mit Voltaire, war zu Formulierungen fähig, die heute noch keine Wirklichkeit sind: „Es gibt keine Franzosen oder Deutschen mehr … es gibt nur noch Europäer.“ So ging die Revolte des Geistes, die aus moralischer Abneigung gegen die Grausamkeit der Götter und Priester entstanden war, von der Ablehnung der alten Religion zu einer Ethik weltweiter Brüderlichkeit über.“

Man könnte Macron vorwerfen, er habe zu wenig zwischen religiösen Terrorismusfanatikern und jenen Gläubigen unterschieden, die sich vom totalitären Urgrund der Erlöser getrennt und sich einen wesentlich humaneren Glauben geschaffen haben, als er in heiligen Schriften zu finden ist. Das war eine verheißungsvolle Entwicklung, die ohne die Wirkungen der Aufklärung nicht möglich gewesen wäre.

Der intuitive Humanismus beruht auf Deutungen, die keine korrekten Deutungen der Urtexte sind, sondern freie Verdrehungen – hier freilich ins Positive. Gleichwohl dürfte man dieser ins Humane gewendeten Hermeneutik den Vorwurf nicht ersparen, dass sie sich auf Schriften bezieht, aus denen auch jene schöpfen, die sie ablehnen: die gewaltbereiten Fundamentalisten. Schrecklich zu sagen: Fundamentalisten sind die korrekten Deuter der Schriften.

Die Gläubigen, die ihre Religion als Humanität (miss)-verstehen, müssten noch einen weiteren Schritt nach vorne tun und sich von der Zugehörigkeit zu schreckenerregenden Texten für immer trennen. Ihre Humanität ist ihre Leistung, ihre Überzeugung, die sie in die Texte hineinlesen und ihnen keineswegs entnehmen.

Seit der Romantik hat sich in der Interpretation heiliger Schriften eine barbarische Willkürlichkeit entwickelt, die aus jedem X ein U zaubern kann. Das ist der Grund, warum es heute keine strengen Disputationen mehr gibt. Jeder hantiert mit Logik und Begriffen, als könne er nach Belieben das Eine und sein Gegenteil behaupten.

Wie heißt die Lieblingsformel postmoderner Feuilletonisten? „Diesen Text kann man auch ganz anders lesen“ – und dann geht die wilde Post ab. Die Wendung zur linguistischen Sprachphilosophie war der Untergang der ratio und das Erbe der Gegenaufklärung, die keine Mühe hatte, Jesus mit Sokrates zu erklären.

Was haben Macrons Worte mit Christentum zu tun? Hat er nicht den Islam angegriffen? Alle drei Erlöserreligionen haben dieselbe Struktur: sie beglücken die Menschen – mit Zwang, Furcht und Schrecken. Und wer sich nicht beglücken lässt, der fährt in die Hölle.

Wer über Islam spricht, spricht zugleich – ob er es weiß oder nicht – über christlichen und jüdischen Fundamentalismus. In Deutschland will man diese Zusammenhänge nicht wahrhaben, weil man seinen Glauben – den man nicht mehr kennt – für aufgeklärt hält.

Kaum hatte die Aufklärung für demokratische Verhältnisse gesorgt, trat die Gegenaufklärung auf den Plan und behauptete dreist, Demokratie und Menschenrechte seien auf dem Boden des Glaubens gewachsen. Solche Lügen werden noch heute von den Kirchen verbreitet.

Und wie spricht der sanfte Herr der Scheintoleranten?

„Doch diese meine Feinde, die nicht wollten, dass ich über sie herrsche, bringt her und macht sie vor mir nieder.“

Wie Republikaner keine demokratiefeindlichen Umtriebe ertragen, so wenig dulden sie antihumane Religionen. Hassen muss man niemanden, aber unmissverständliche Ansagen gegen Menschenfeinde sind unerlässlich.

Der TAZ-Artikel verdreht alles. Religionen können bizarr und unverständlich sein, wie sie wollen, wenn sie ihre Bizarrerie zum Hass gegen die Menschheit benutzen, ist Matthäi am letzten. Religionen müssen nicht leicht verständlich sein, wenn sie aber ihre esoterischen Abgründe benutzen, um die Menschen zu ihrem Glück zu zwingen, ist Matthäi am letzten. Das Einknicken vor totalitärer Himmelsgewalt ist das Gegenteil von Sensibilität und Respekt. Es ist keine Selbstüberschätzung, wenn man unversöhnlichen Autonomiefeinden Paroli bietet. Und das Unfassliche: diese Duckmäuserei im Namen allerchristlichster Lindigkeit hält „Macrons Variante für Laizismus“ für keinen universellen Wert. Das ist ein salto mortale rückwärts ins Mittelalter und ein Verrat aller Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit.

Macron! Was erlauben Macron? Einen Laizismus, der sich nicht dem deutschen Scheinlaizismus unterordnet? Deutschlands Laizismus ist in Wirklichkeit ein kompromisslicher Kotau vor den Kirchen, die es mit List und Tücke verstanden haben, ihren Ungeist in die Politik einzuschmuggeln. Was steht in der Präambel des Grundgesetzes?

Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, …

Das deutsche Volk hat keine Verantwortung vor einer Phantasmagorie. Vor jedem Staatsakt ein Bußgang an den Altar. Die SPD, man höre und staune, hat einen atheistischen Arbeitskreis verboten. Was nicht den Segen der Gottesmänner erhält, kann sich trollen. Hat es je einen namhaften Politiker gegeben, der sich als Religionskritiker bekannte? Vom Reichtum der Kirchen, ihrem Einfluss über Kitas, Schulen und Unis haben wir noch gar nicht gesprochen. Dass Menschen bis gestern kein Selbstbestimmungsrecht über ihr Leben hatten, war der „Ethik“ göttlicher Unfehlbarkeit geschuldet. Und jetzt noch blockiert CDU-Spahn die rechtliche Umsetzung dieses erstaunlichen Grundsatzurteils.

Alle Attacken gegen die irdische Vernunft werden von den Medien geduldet, ja, gar nicht wahrgenommen. Seltsam nur, dass, je mehr die Krisen sich verstärken, sich immer mehr Journalisten als „bekennende“ Christen offenbaren.

Schon immer war dies der Rettungsanker der Himmelsvertreter: hoffet auf Elend und Not der Menschen – und wir erleben eine fröhliche Auferstehung. Versteht sich, dass Glaubensfragen bei Plasberg nicht erörtert werden. Der lädt nicht mal Impfgegner in sein Tribunal, wenn es um Fragen der Corona-Impfung geht. „Feinden“ der Republik, die sich eine andere Meinung gestatten (die keineswegs richtig sein muss), dürfe man keine Plattform bieten! Es ist schändlich.

Es war der französische Priester Jean Meslier, der nach seinem Tode ein Manifest hinterließ, das selbst heute von keinem deutschen Halbundhalben geschrieben werden könnte:

„Wir sehen in ihm (dem Herrn der Christen) einen Fanatiker, einen Menschenfeind, der sich an die Elenden wendet und ihnen predigt, arm zu sein, die Natur zu bekämpfen und auszulöschen, Vergnügen zu hassen, Leiden zu suchen und sich selbst zu verachten. Er befiehlt ihnen, alle Bande mit dem Leben aufzugeben, um ihm zu folgen. Was für eine herrliche Moral, sie muss göttlich sein.“

Heute müsste man hinzufügen: sie können reich werden oder arm bleiben, pazifistisch oder kriegshetzend sein, können lügen, dass die Schwarte kracht, das Blaue vom Himmel versprechen und nichts halten, kurz: sie können tun, was sie wollen – Hauptsache, sie glauben. ihr Glaube rechtfertigt die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschheit – und das komplette Gegenteil.

Glaube – und tu, was du willst. Das ist die Freiheit, zu der sie berufen sind. Amen.

Fortsetzung folgt.