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Alles hat keine Zeit XCII

Tagesmail vom 17.03.2021

Alles hat keine Zeit XCII,

Sprachlosigkeit.

Kultur begann mit der Sprache – und wird in Sprachlosigkeit enden.

Überall Sprachverbote, Stummheiten. Lärmende Floskeln machen die Wortlosigkeit unhörbar. Die Deutschen flüchten in die Sprache ihrer Besieger, da sie ihre eigene nicht mehr ertragen. Was nicht amerikanisch klingt, gilt als Gestammel.

Experten und Gebildete verstecken sich hinter Spezialsprachen, um das Eindringen des Pöbels zu verhindern.

„Als conditio humana schlechthin, durch die sich der Mensch von allen anderen Lebewesen unterscheidet, gilt von alters her die Sprache. Ihre Anfänge liegen wohl 100.000 bis 200.000 Jahre zurück. Eine ausgebildete Sprachfähigkeit wird etwa vor 35.000 Jahren angenommen, zur Zeit der Höhlenmalereien von Lascaux.“

Von Anfang an ist der Wurm drin. Muss der Mensch sich von allem unterscheiden, um durch Sprache die Krone der Schöpfung zu bilden? Haben Tiere und Pflanzen keine vorzüglichen Verständigungsmöglichkeiten? Hat Sprache die Menschheit miteinander verbunden? Wurde sie nicht als Herrschaftsmittel über Mensch und Natur missbraucht?

Als Wissenschaftler die Zahlen fanden, die exakte Sprache der Natur, war es um die gesprochene Sprache geschehen. Was nicht als Zahl definiert, gemessen und berechnet werden konnte, wird nach Kant  zum Geschwätz degradiert – gegen das sich die Philosophie der Deutschen zu wehren begann:

„Es ist die humanistische Tradition, auf die wir zurückverwiesen werden. Sie gewinnt im Widerstand gegen die Ansprüche der modernen Wissenschaft eine neue Bedeutung. Es ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit, dass nicht die Mathematik, sondern die humanistischen Studien bestimmend sind. Freilich, was Sprache ist, gehört zum Allerdunkelsten, was es für das menschliche Nachdenken gibt. Wir suchen von dem Gespräch aus, das wir sind, dem Dunkel der Sprache näher zu kommen.“ (Gadamer, Wahrheit und Methode)

Gadamer gehörte zum Kreis Heideggers, dessen Verdunkelung der Sprache den Untergang der deutschen Philosophie besiegelte.

„Diesen in seinem Woher und Wohin verhüllten, aber an ihm selbst um so verhüllter erschlossenen Seinscharakter des Daseins, dieses „Daß es ist“ nennen wir Geworfenheit dieses Seienden in sein Da, so zwar, dass es als In-der-Welt-sein das Da ist.“ (Heidegger, Sein und Zeit)

Nicht ausgeschlossen, dass solche verbalen Gespreiztheiten, wenn man nur genügend gräbt und filtert, einen Sinn ergeben. Doch das ändert nichts daran, dass diese Sprache vor allem eins signalisiert: Fernhalten oder ich schieße. Wer keine esoterische Zugangsberechtigung für meine Welt vorweisen kann, ist nicht nur ein Geworfener, sondern ein Verworfener. Wer geworfen und verworfen ist, benötigt einen Führer ins Reich des Lichts. Dieser Führer hatte prophetische Hände, eine Sprache, die alle Verlorenen bei ihrem völkischen Namen – und mit gewaltiger Rede zur Tat rief.

In der deutschen Gegenaufklärung werden neue Welten mit neuen Sprachen erfunden, die sich vom täglichen „Gerede“ mit Abscheu wenden. Das übertrifft sogar den Schöpfer, der keine Sprache erfinden musste, sondern mit Hilfe der Sprache alle Dinge der Welt.

„Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.“

Die Sprache war vorhanden, der Schöpfer musste sich ihrer nur bedienen. Neudeutschen Denkern genügte die vorhandene Sprache nicht. Seitdem Galilei der Offenbarung durch das Wort die Offenbarung durch die Natur entgegenstellte, ja dem Wort die Zahl der Natur überordnete, empfanden es die deutschen Denker als Kriegserklärung.

„Die Erneuerung der Geisteswissenschaften vergisst nicht, dass Erfahrung hier etwas grundsätzlich anderes ist als im Bereich der Naturerkenntnis. Im Bereich der Naturerkenntnis kommt es lediglich auf die verifizierbaren Feststellungen an, die durch die Erfahrungen zustande kommen, d.h. aber auf das, was sich von der Erfahrung des einzelnen ablöst und einen zuverlässig bleibenden Bestand von Erfahrungserkenntnis bildet. Was aber den Aufbau der geschichtlichen Welt trägt, sind nicht aus der Erfahrung genommene Tatsachen, die dann unter einen Wertebezug treten, vielmehr ist ihre Basis die innere Geschichtlichkeit, die der Erfahrung selbst eignet. Sie ist ein lebensgeschichtlicher Vorgang und hat ihren Modellfall nicht im Festhalten von Tatsachen, sondern in jener eigentümlichen Verschmelzung von Erinnerung und Erwartung zu einem Ganzen, die wir Erfahrung nennen und die man erwirbt, indem man Erfahrungen macht. So ist es insbesondere das Leiden und die Belehrung, die durch die schmerzhafte Erfahrung der Wirklichkeit dem zur Einsicht Reifenden bereitet ist. Diese Begriffe sind im Unterschied zu den Kategorien der Naturerkenntnis – Lebensbegriffe.“ (Gadamer)

Die Geisteswissenschaften, so viel scheint klar, haben ihre Überlegenheit über die Naturwissenschaften zurückerobert. Wer Natur erkennen will, braucht mühsame Vorüberlegungen (= Erkenntnistheorien): kann der Mensch die Natur überhaupt erkennen – oder bleibt sie ein Rätsel? Wenn wir aber etwas von ihr erkennen, wie soll man sich dieses Ereignis vorstellen? Natur ist uns doch fremd?! Wie können wir ein ganz Anderes und Fremdes verstehen, wenn wir nichts Gemeinsames haben? Ist Erkennen und Verstehen nicht das beglückende Erlebnis, ein Fremdes als Eigenes und Vertrautes zu entdecken?

„In den Geisteswissenschaften braucht man nicht erst nach dem Grund der Möglichkeit zu fragen, dass unsere Begriffe mit der „Außenwelt“ in Übereinstimmung sind. Denn die geschichtliche Welt, um deren Erkenntnis es hier geht, ist immer schon eine vom Menschengeist gebildete und geformte. Es ist die Identität von Bewusstsein und Gegenstand. Es ist das Erlebnis. Hier ist unmittelbare Gewissheit. Es ist ein nicht weiter auflösbares Innesein.“ (ebenda)

Ahnen wir, worum es geht? Der Einbruch der Naturwissenschaften hat die Deutschen ihrer geschichtlichen Gewissheit entrissen. Der Gewissheit, in der Geschichte des Heils zu Hause zu sein. Hier musste nichts erkannt werden, hier musste nur dem Wort der Offenbarung geglaubt werden.

Im Mittelalter war Natur etwas Minderwertiges und Fremdes, der Bereich des Teufels, den man verabscheuen sollte.

„Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«“

Der Teufel bietet einen Deal an: Natur gegen Unterwerfung. Was für ein entwürdigender Vorschlag für einen Gottessohn, der dem Teufel die absolute Vernichtung androht.

Im Mittelalter fühlte sich der Gläubige in der Geschichte des Heils zuhause. Natur war belanglos und lästig. Der Herr würde demnächst wiederkommen und dieses Alte in Nichts auflösen.

Was passierte? Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, von Jahrhundert zu Jahrhundert verzog der Herr – und blamierte seine wartenden Schafe. Um die Blamage abzuwenden, begannen die Scholastiker, sich mit den wieder entdeckten Erkenntnissen des Pythagoras zu beschäftigen, der die Zahlen als ehernes Gerüst der Natur erkannt hatte.

Wenn aber die Natur durch Zählen und Rechnen erforschbar ist, warum nicht die Geschichte? Schließlich sind beide die Schöpfungen eines Gottes. Also gingen die frommen Gelehrten daran, mit Hilfe der Zahlen das Alter der Erde und die Wiederkunft des Herrn zu berechnen. Immer kamen sie zu neuen Erkenntnissen – die allesamt durch die reale Geschichte widerlegt wurden.

Was den Geschichtsforschern misslang, wurde zum großen Triumph der neuen Naturwissenschaft: mit Hilfe der Beobachtung und exakter Zahlen gelang ihr der phänomenale Durchbruch. Was Natur ist, wie sie funktioniert: all das konnte man verlässlich berechnen und mit Experimenten beweisen. Man musste nicht zum x-ten Mal die Schöpfungsgeschichte lesen, um über das Alter der Welt zu spekulieren. Ja, noch mehr. Die neuen Erkenntnisse widerlegten mit Tatsachen die Offenbarung durch das Wort.

Die neuen Naturwissenschaften wurden die strengsten Kritiker der Heiligen Schrift – mit Hilfe der heidnischen Zahl. Klar, dass es sofort zu Kompromissen kam, damit die Naturforscher noch fromm und die Schriftgelehrten zeitgemäß sein konnten:

Warum sollte das WORT beim Diktieren die Schreiber der Offenbarung nicht überfordert haben, sodass menschliche Fehler entstanden? Diese Fehler sollte man durchschauen und dem nachforschen, was Gott gemeint haben könnte.

Aus der wörtlichen Hermeneutik entstand eine metaphorische. Das Geschrieben sollte man als Metapher betrachten, die man auf ihre verborgene Mitteilung zu erforschen hatte.

Metaphorische Deutungen kannten bereits die Stoiker, als sie die alten griechischen Mythen nach ihrem verborgenen vernünftigen Sinn zu untersuchen begannen. Gleichwohl gab es einen gewaltigen Unterschied. Heidnische Mythen waren keine unfehlbaren Offenbarungen, sondern Erzeugnisse von Menschen.

Die Heilige Schrift aber galt als unfehlbares Diktat des Schöpfers selbst. Wie waren die willkürlichen Deutungen der Theologen vereinbar mit einer immer noch angebeteten „Irgendwie-Unfehlbarkeit“ der Schrift?

Das ging nur, indem die Theologen die historisch abgeschlossene, einmalige Offenbarung in eine geschichtlich fließende umwandelten. Gottes Wahrheit blieb nicht statisch, sondern wurde dynamisch und floss durch die Zeiten als eine, die sich ständig verändern konnte. Die Geschichte wird zu einer sich ständig wandelnden göttlichen Offenbarung – und die theologischen Schriftdeuter gehörten zu jenen Erleuchteten, die in, mit und unter dem Zeitgeist die flammenden Hieroglyphen an der Wand erkannten.

Galileis Offenbarung in der mathematischen Schrift der Natur wurde übertroffen durch die fließende Offenbarung eines ständig wechselnden Zeitgeistes. Eben dies ist der Standpunkt der deutschen Geschichtsdenker von der Romantik über Heidegger und Gadamer bis ins Feuilleton deutscher Tiefenschreiber.

Wer waren die prophetischsten unter den Zeitgeistinterpreten? Die Deutschen. Sie fühlten sich privilegiert, am gründlichsten den Finger in die Luft zu strecken und zu erfahren, aus welcher Richtung der Heilige Geist weht.

Heidegger hatte im Schwarzwald den Finger in die Luft gestreckt und wesentliche Fragen an das Sein gestellt. Und das Sein hatte geantwortet: jener, der da kommen soll, er ist gerade bei den Deutschen angekommen. Folget ihm.

Das messianische Wirken der Deutschen erwies sich als teuflisches. Denn der Messias kennt keine Skrupel, alles auszurotten und zu zerstören, was sich seinem Wort nicht beugt. Nichts anderes taten die deutschen Erlöser, die alles Satanische aus dem Weg räumen mussten, um der Erde das lang ersehnte 1000-jährige Endreich zu bescheren.

Die geschichtliche Offenbarungssprache war die letzte innig gefühlte gemeinsame Sprache der Deutschen – vor der absoluten Katastrophe. Als sie von ihren Feinden aus Ost und West am Boden zerstört wurden, taten sie, was sie seit Luther verinnerlicht hatten. Ihren neuen Obrigkeiten waren sie sofort vorbildlich untertan, denn es gibt keine Obrigkeit, die nicht von Gott wäre.

Oh doch, die Deutschen sind ein gedankenschweres Volk. Was aber machen sie mit ihren Gedanken?

Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten?
Sie fliegen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen
mit Pulver und Blei.
Die Gedanken sind frei!

Ich denke, was ich will
und was mich beglücket,
doch alles in der Still‘,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!

Sie denken, was sie wollen, doch niemand soll es erfahren. Es bleibt ihr süßes Geheimnis. Die deutsche Freiheit ist eine innerliche. Mit Politik und Demokratie hat sie nichts zu tun. Sie unterwerfen sich jenen, die sich durchsetzen.

Die Naturwissenschaften haben sich durchgesetzt mitsamt der Ökonomie (die sich als exakte Geschichtswissenschaft versteht). Ergo brauchen sie keine Gedanken mehr, die sie mühsam in Sprache verwandeln. Sie reden in Zahlen: BIP, Wirtschaftswachstum, Profitraten, Rankings in allen Dingen, Pisatests, Zensuren, Inzidenz, Impfquoten, Exportzahlen.

Die Wessis übernahmen die Zahlensprachen ihrer kapitalistischen Besieger, die Ossis diejenige ihrer marxistischen Besieger. Auch der Marxismus verstand sich als berechenbare Geschichtswissenschaft. Gerade er präsentierte sich als szientivische Erfüllung der mittelalterlichen Erwartung, mit Zahlen die Ankunft des paradiesischen Reiches auf Erden berechnen zu können. In Amerika gab es eine komplementäre Ergänzung aus Religion und Kapitalismus: erwählt war, wer reich wurde.

Die christliche Dauerherrschaft in Nachkriegsdeutschland war ein entfernter Abklatsch dieser Synthese. Wenn sie stolz waren auf ihr Wirtschaftswunder, waren sie stolz auf ihre Tüchtigkeit, ihren Fleiß und ihre Zuverlässigkeit, ihre technische Perfektion. Doch Corona ist längst dabei, die Zerrüttung der Charaktereigenschaften schonungslos zu enthüllen. Die nationale Selbstentzauberung beginnt gerade. Es kann nur schrecklich werden.

Das Schreckliche ist, dass sie keine Sprache haben, um sich schonungslos die Diagnose zu stellen.

Die Aufklärung glaubte noch an die Möglichkeit einer rationalen Verständigungssprache. Ab Goethe ging‘s bergab:

„Geschrieben steht: »Im Anfang war das Wort!«
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?

Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!“

Über das wirkungslose Wort, den hohlen Sinn, die sinnlose Kraft zur – Tat. Zur deutschen Tat, den Willen zur Macht, der keinen Sinn mehr benötigt und keine Verständigung mehr sucht: die Tat. In der Nachkriegszeit wurde die Tat zur harten Arbeit, zur Karriere, zum Aufstieg, zum wirtschaftlichen Erfolg, der sich in objektiven Zahlen widerspiegelte.

Und nun: stehen wir vor einem entlarvenden Debakel mit Zahlen, Präzision und Organisation. Die einfachsten Rechenfähigkeiten stehen ihnen nicht mehr zur Verfügung. Warum wurde der Impfstoff AstraZeneca aus dem Verkehr gezogen? Um 0,0005 % der Geimpften nicht zu gefährden:

„Fakt ist: Es geht um gerade mal 0,0005 Prozent der AstraZeneca-Geimpften. Politiker wie SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannten Spahns Entscheidung daher einen „Fehler“. Denn: jeder Tag, an dem weniger geimpft wird, kostet Menschenleben.“ (BILD.de)

Altdeutsche Tugenden der Treue und Tüchtigkeit in beruflichen Dingen (Jeder bleibe in dem Beruf, in den er berufen wurde – die lutherische Arbeitsidolatrie) scheinen über Nacht verschwunden. Doch der Eindruck des Plötzlichen trügt. Hinter den Fassaden der Erfolge ist die deutsche Gründlichkeit schon seit langem zuschanden geworden. Der Zug schien zwar in unvermindertem Tempo in die Zukunft zu brausen, doch wehe, wer in das Innere der Waggons schaute: übersättigte Langweile, prahlerische Überheblichkeit, stummer Überdruss: Sprachlosigkeit.

Warum gibt es keine sachlichen Dialoge, keine Ursachenforschung, keine ethischen Maßstäbe? Nur noch Bigotterie?

„Oft wird vergessen, dass Deutschland einer der größten Waffenexporteure der Welt ist. Und dann beklagen wir uns, wenn Menschen aus jenen Regionen fliehen, in die wir zuvor Waffen geliefert haben, und behandeln die Geflüchteten in menschenunwürdiger Weise. Das ist himmelschreiende Bigotterie.“ (SPIEGEL.de)

Als durchschnittliche Regel gilt: nichts, was gesagt wird, wird getan. Wäre das kein himmelschreiender Moralismus? Was sollen andere Völker über uns denken, wenn wir ihnen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch überlegen wären? Warum weigert sich EU-Chefin von der Leyen störrisch, die Befolgung der europäischen Regeln einzufordern? Polen, Ungarn können Grundprinzipien der Union nach Belieben verletzen, niemand fordert Konsequenzen. Mit solcher Rückgratlosigkeit  kann die EU nicht bestehen.

Warum ist die Kanzlerin stumm, warum wird in deutschen Talkshows nur gequasselt? Warum reden die Mächtigen nur in gestanzten Formeln und leblosen Zahlen? Warum sind die Intellektuellen verstummt, die Medien in Obrigkeitsverehrung erstarrt?

Selbst Nico Fried, Merkels getreuester einer, wird ratlos:

„Viel hängt dabei von Merkel ab. „Deutsche Gründlichkeit ist super, aber es wird jetzt deutsche Flexibilität gebraucht.“ So hat es die Kanzlerin im Spätsommer 2015 in der Flüchtlingskrise formuliert. Das ist, wie man heute sagen würde, der Spirit, der auch jetzt nötig wäre, zum Beispiel wenn Bund und Länder die Impfkampagne besprechen, die durch den Stopp des Vakzins von Astra Zeneca den nächsten Rückschlag erlitten hat. Mehr Flexibilität wäre der Diskussion um impfende Hausärzte und strenge Priorisierungen gewiss dienlich. „Wir müssen das, was uns hindert, das Richtige zu tun, zeitweise außer Kraft setzen und deshalb auch ein Stück Mut dabei zeigen.“ Das war damals noch so ein Satz Merkels. Man gäbe was drum, sicher sein zu können, dass sie selbst auch jetzt noch daran glaubt.“ (Sueddeutsche.de)

Merkel soll gefragter denn je sein? Fried scheint auf einem anderen Planeten zu hausen. Mehr als Sätze und Absichtserklärungen der Kanzlerin hat er nicht zu bieten. Dass diesen Sätzen nie adäquate Taten folgten, ist an der SZ vorüber gegangen. Ein beeindruckender Fall von Lakaientreue.

Nun ein seltsamer Schluss. Was hat Sprachlosigkeit der ach so tüchtigen deutschen Männer mit ihrer schwindenden Spermaqualität zu tun? Zeugungsunwilligkeit und -unfähigkeit ist die einzige Sprache der Männer, mit der sie ihr Nichtmehrwollen und Nichtmehrkönnen wortlos zum Ausdruck bringen können.  (SPIEGEL.de)

„Nur Sprache schafft Klarheit über Formen und Gesetze des Denkens und somit für die Erkenntnis der Wahrheit, die die Grundlage der gesamten Lebensführung ist. Denn desselben Mannes Sache ist es, richtig zu sprechen und richtig zu denken. Und das Gedachte in die Tat umzusetzen.“ (Pohlenz, Die Stoa)

Gott beherrscht die Menschen, indem er ihre gemeinsame Sprache zerstört:

„Und der Herr sprach:  Siehe, sie sind ein Volk und haben alle eine Sprache. Und dies ist erst der Anfang ihres Tuns; nunmehr wird ihnen nichts unmöglich sein, was immer sie sich vornehmen. Wohlan lasst uns hinabfahren und daselbst ihre Sprache verwirren, dass keiner mehr des anderen Sprache verstehe. Also zerstreute sie der Herr von dort über die ganze Erde.“

Demokratie beruht nicht auf Offenbarung. Sie lebt von der kraft- und sinnvollen Sprache menschlicher Vernunft, die keinen Widerspruch duldet zwischen Wort und Tat.

Sollte es den Deutschen misslingen, ihr drohendes Desaster zu verhindern, werden sie ihre Enttäuschung in rasender Wut in die Welt schreien. Niemand wird ihr sprachloses Gebrüll zur Kenntnis nehmen.

Fortsetzung folgt.