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Alles hat keine Zeit LXXIX

Tagesmail vom 15.02.2021

Alles hat keine Zeit LXXIX,

nicht mehr lange! Die Zähne zusammenbeißen und noch wenige Wochen durchhalten – dann haben wir‘s geschafft: das Betäubungsmittel der Deutschen namens Merkel verliert an Wirkung.

Was aber kommt danach, wenn die Deutschen aus ihrem Rausch aufwachen und die Wirklichkeit über sie hereinbrechen wird? Welche Väter werden dann in der Lage sein, Vernunft zu verbreiten und panikfreie Gefühle, die die Ratio begleiten und bestärken?

Corona war keine Vorschule zur Bewältigung der riesigen Gefahren, die sich seit Jahrzehnten und Jahrhunderten angehäuft haben. Im Gegenteil, die Krise ist selbst eine Betäubung, die die Illusion verbreitet, die Nation habe gelernt, Krisen zu bewältigen.

Die Regierung, den geringsten Anforderungen der Aufklärung nicht gewachsen, ergeht sich in Drohungen und Eiapopeia. Ich warne, ich warne, es ist ernst, es ist ernst: kuscht und tut, was wir euch sagen, dann wird alles gut. Den Menschen werden keine Impfstoffe und Tests in die Hand gegeben, damit sie ihre Situation selbst einschätzen können, sie werden wie Statisten ihrer Freiheitsrechte beraubt.

Schreiende Widersprüche in Theorie und Praxis. Plattitüden und Gestammel bei der Vermittlung. Keine täglichen Sendungen zur besten Sendezeit in den Öffentlich-Rechtlichen, in denen Menschen aus allen Schichten mit Politikern und Experten alle wesentlichen Fragen durchstreiten.

Wurden in den Audienzen mit der Kanzlerin je Fragen nach den Kindern gestellt? Wurde je der lächerliche Fragemodus der „Interviews“ aufgegeben zugunsten knallharter Meinungen? Wie lange wollen die Medien noch den character indelebilis ihrer Objektivität und Unbetroffenheit demonstrieren – als seien sie nicht von dieser Welt?

Gleichmäßigen Abstand halten! Noli me tangere! Kommt uns nicht zu nahe, ihr Charaktermasken von den Rändern der Gesellschaft. Wir allein stehen in der Mitte, gleichweit entfernt von allen Interessen und Begierden. Wo wir sind, ist das Fadenkreuz der Wahrheit.

Die Republik befindet sich im freien Fall. Noch vor kurzem behaupteten die Medien, wir lebten bereits im Paradies.

Jetzt das jähe Erschrecken – aber keine Ursachenforschung. Das wäre ja „eitle Schuldzuweisung“ aus dem Nachhinein. Vor allem keine Schuld. Unbefleckt und rein wollen wir uns auf den letzten Weg begeben. Was Stefan Aust über „Politiker und Unternehmen“ sagt, müsste auch für sein eigenes Gewerbe gelten. Doch Selbstkritik gibt es nicht bei der Vierten Gewalt. Sie schauen nicht zurück, sondern nach vorne, um des Vergangenen nicht zu gedenken.

„Wir erleben gerade die Aufarbeitung des Maut-Debakels und der Impfstoff-Problematik. Glauben Sie, dass irgendwer dabei jemals Fehler eingestehen wird?
Stefan Aust: Nein, das passiert auf diesen Ebenen nicht mehr, weil ein System der Verantwortungs-Weitergabe etabliert wurde. Die EU, die Unternehmen, die Verwaltungen – in diesem Geflecht ist es für den einzelnen Politiker immer leichter, seinen persönlichen Fehler zu kaschieren. Dieses Muster sehen wir bei den genannten Themen, aber auch mit Blick auf die Corona-Maßnahmen insgesamt. Ob die funktionieren oder nicht, ob ihre Folgeschäden größer sind als der Nutzen, das hat alles keine Rückkopplung mehr zu jenen, die es entschieden haben.“ (WELT.de)

Wie viele Artikel erschienen in den Medien, in denen sie die Nase rümpften über ihre wohlfeilen Sündenböcke. Wie viele Nebel wurden verbreitet, um das lästige Wörtchen „Warum“ aus dem Vokabular zu tilgen. Warum stürzen sie sich wie besessen auf skurrile Randläufer, die für das Debakel des Verfalls verantwortlich gemacht werden? Die Eliten, zu denen sie sich selbst zählen, werden von aller Schuld freigesprochen.

‚Schon wieder hat er die Eliten angegriffen! Schon wieder die Mächtigen, Reichen und Tüchtigen! Dieser Neidhammel und Missgünstige! Stellt ihm den Saft ab, schickt ihn in die Mongolei, um Adlernester auszuheben. Hoffentlich stürzt er von den Klippen.‘

Remedur. Wir müssen unsere Bücher öffnen und Bilanz ziehen.

‚Abgelehnt, es gibt keine Bücher der Vergangenheit. Das Gestern ist getilgt.‘

Wozu lernen wir denn Geschichte?

‚Nicht, um die Gegenwart zu verstehen, du Leugner der neutralen Wissenschaft.‘

Aha, die nächsten Anbeter dessen, was ist, dem kein Sollen folgen darf.

Wie steht‘s mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Sollen wir die auch in den Orkus der Belanglosigkeit werfen?

‚Listig. Doch das hilft alles nichts, die Erinnerung an unsere blutige Vergangenheit muss die Ausnahme bleiben, die die Regel bestätigt. Vorbei ist vorbei. Ab ins Archiv, das uns nichts mehr angeht. So wenig, wie wir Vergangenheit verstehen, so wenig kann mit Hilfe der Vergangenheit die Gegenwart verstanden werden. Der Mensch ist kein Kontinuum, der endlose Spuren durch die Zeiten legt. Wie der Mensch eine atomisierte Monade ist, so besteht die Zeit aus atomisierten Augenblicken. Wer zurückschaut ins Gestern, erstarrt zur Salzsäule.‘

Wie können wir die Gegenwart verstehen, wenn wir unsere Vergangenheit nicht verstehen – dürfen?

‚Vergangenheit bestimmt nicht über die Gegenwart. Jeder Augenblick hat seine eigene Sorge. Die Sorgen und Untaten von gestern kannst du vergessen.‘

Wie können Medien die Schuld der Politik anprangern, wenn sie jede Schuld verleugnen, die in der Vergangenheit geschehen sein muss?

Nein, auch die Medien haben den Stand der Unschuld erklommen und blicken voll Verachtung auf den Pöbel, der unfähig ist, seine Vergangenheit zu verleugnen. Eliten wollen unsterblich werden. Indem sie dem Augenblick leben, sind sie bereits der Vergänglichkeit entronnen:

„Für Kierkegaard ist der Gegensatz von Zeit und Ewigkeit vereint im Augenblick, der als abstrakter Moment gedacht wird, der das Nichts und die Ewigkeit zugleich umfasst. Weil er Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufhebt, ist er aus dem empirischen Lebensablauf herausgestellt.“

Auch Zukunft gehört zur vergänglichen Zeit und muss im stehenden Jetzt überwunden werden. Der ewige Augenblick ist das Ziel zukünftiger KI-Wesen, die sich den Menschen einprogrammiert haben, um ihn überflüssig zu machen. Das wäre ein Vorlauf der Unsterblichkeit.

„Der russische Medienunternehmer Dmitry Itskov plant in sowjetischem Stil, das ewige Diesseits bereits 2045 Jahren zu erreichen. Seine „Initiative 2045“ möchte das menschliche Gehirn kopieren und es an einen Roboter, später an einen holografischen Körper, anschließen. Defekte Organe würden schlicht wie bei einem Roboter ausgetauscht. „Kybernetische Unsterblichkeit“ nennt sich der KI-basierte Ansatz. Da könnte dann möglicherweise auch der eingefrorene Kopf wieder eingesetzt werden. Der Mensch geriete zum Cyborg-Zwitter, Itskov spricht von „Neo-Human“. Es hieße: Willkommen im „Novozän“, einem neuen Zeitalter der Hyperintelligenz.“ (WELT.de)

Gib deinen sterblichen Kopf einem Computer – und du wirst ewig leben. Roboter kennen keine Zeit, sie leben im Kairos der Ewigkeit. Zeitlose Roboter haben kein Interesse an der „Bewältigung der Vergangenheit.“ Wären wir alle Roboter, hätten wir das bisschen Naturkatastrophe schon überwunden.

Hannes Stein hält nichts davon, die Natur mit natürlichen Maßnahmen zu retten. Natur muss mit unnatürlichen Maßnahmen drangsaliert werden, damit sie kontrolliert werden kann:

„Je unnatürlicher wir leben, desto besser. Das muss endlich auch die Ökobewegung einsehen und sich von ihrem Dogma lösen, die Natur sei nett und gut. Grausam ist sie, wie die Corona-Pandemie zeigt. Und was jetzt Leben rettet, ist unnatürlich – wie die neuen mRNA-Impfstoffe. Vielleicht ist diese Pandemie – und der Kampf dagegen – der Moment, in dem die Ökobewegung lernt, dass sie nicht fortschrittsfeindlich sein darf, wenn sie Erfolg haben will. Das bedeutet nicht, dass die Ziele der Ökobewegung falsch waren. Sie muss nur lernen, ihr grünes Grunddogma „Natur ist gut“ infrage zu stellen und eine paradoxe Wahrheit zu begreifen: Je unnatürlicher wir Menschen leben, desto besser für uns und für die Natur. Wenn die Mehrheit der Weltbevölkerung sich in Megastädten zusammenballt, wird außerhalb jener urbanen Zentren endlich wieder Wildnis herrschen. Im günstigsten Fall besteht der größte Teil des Planeten in einem halben Jahrhundert aus Nationalparks.“ (WELT.de)

Das muss der Angriff einer unnatürlich-übernatürlichen Religion gegen heidnische Naturreligionen sein, in denen Pachamama verehrt wird. Auch griechische Naturphilosophen bewunderten den vollkommenen Kosmos.

Diese Verehrung muss falsch sein, so Stein, sonst hätte Natur uns nicht heimtückisch mit Corona überziehen können. Nur unnatürliche Impfstoffe könnten uns gegen feindliche Naturkräfte schützen. Das ist der traditionelle Dualismus der Schöpfungsreligionen. Für sie ist Natur etwas Minderwertiges und kann nur errettet werden vom geistbeseelten Menschen, der Krone der Schöpfung.

Hätte Stein recht, müssten technische Erfindungen die Natur bis zum bitteren Ende drangsalieren, um sie zu heilen. Natur wäre Feindin des Menschen, die mit allen Finessen des Fortschritts gebändigt werden müsste. Der hasserfüllten „Frau Natur“ stünde der göttliche Mann gegenüber, der das Weib zähmen muss. Das wäre ein Rückfall in die jahrtausendealte Geschichte der Erlöserreligionen und eine Abkehr von der rationalen Ökobewegung.

„Beinahe alles, was Leben rettet oder das Leben lebenswert macht, ist unnatürlich: Cocktails, Kondome, Computer. Und beinahe alles, was Leben gefährdet, geschieht dann, wenn man der Natur ihren Lauf lässt. Denn die Natur ist nicht nett. Sie ist grausam. Sie kennt kein anderes Recht als das Recht des Stärkeren. Sie tötet, ohne mit der Wimper zu zucken. Wir Menschen sind ihr egal.“

Was Stein unnatürlich nennt, wird gewöhnlich Kultur oder Zivilisation benannt. Beides sind menschengemachte Erzeugnisse, die in der bisherigen Ökobewegung als Feinde der Natur eingedämmt werden mussten. Wie Marx Hegel auf den Kopf stellte, stellt Stein diese Sicht der Naturrettung auf den Kopf. Je unnatürlicher, umso besser; je natürlicher, umso verhängnisvoller. Der Mensch muss sich in Zukunft immer mehr in Megastädten konzentrieren, damit „der größte Teil des Planeten in einem halben Jahrhundert aus Nationalparks“ besteht. Natur wird als wildes Tier ausgegrenzt – oder wie in einem Zoo kaserniert, damit sie der Mensch mit immer besseren Methoden gefahrlos ausbeuten kann.

Nicht der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, sondern die Natur. Hobbes hat dem Menschen die Fehler und Sünden der Natur untergeschoben. Stein will Hobbes richtigstellen, indem er dessen Menschenfeindlichkeit der Natur zuordnet. Die Natur ist das inkarnierte Böse, der Mensch das Subjekt der Rettung.

Die moderne Ökobewegung hat sich seit ihrer Entstehung stetig vom Naturbegriff der Schöpferreligionen entfernt. Selbst gläubige Forscher kennen keine dualistischen Systeme.

Ist der Streit zwischen Natur und Glauben mit Argumenten zu schlichten? Auf den ersten Blick scheint der Glaube an eine göttliche Übernatur so wenig widerlegbar wie der konträre Glaube an die Natur, deren Selbstheilungskräfte der Mensch unterstützen muss. Auch der Glaube an die Natur ist ein Glaube. Gibt es in diesem Streit keine Verständigungsmöglichkeiten, gibt es nur dogmatische Meinungsunterschiede?

Hier hülfe nur der Spruch: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Ist globale Naturzerstörung die Frucht der Erlöserreligionen oder der Naturphilosophien?

Der Streit wäre nur entscheidbar, wenn man das Moment historischer Erfahrung zulassen würde. Die gegenwärtige Naturverwüstung ist auf dem Boden des christlichen Abendlands entstanden, das sich Methoden der griechischen Naturerkenntnis aneignete, um das biblische Urmotto in Realität zu verwandeln: Macht euch die Erde untertan und herrschet über alle Tiere.

Völker hingegen, die nur den Kräften der Natur vertrauen – wie heute noch Eingeborenenstämme in den Urwäldern – kennen weder Fortschritt noch irreparable Naturdefekte.

Der allmächtige Schöpferglaube könnte gelassen die bisherigen Naturverwüstungen zugeben, weil er fest daran glaubt, der technische Fortschritt werde alle Schäden der Natur nach Belieben korrigieren. Je omnipotenter die Wissenschaft, je gottähnlicher der homo sapiens, je fähiger wird er, die missratene Natur so weit zu retten, wie der Mensch sie zum Zwecke seiner allmächtigen Gewalt für nötig hält.

Die gottebenbildliche Macht des Menschen wird alle Probleme der Natur lösen. Insofern sind die jetzigen Schäden kein Argument für die Religion, von ihrer Allmachts- oder Erlöserfunktion abzurücken. Nur nicht verzagen, auf Gottes Gnadentaten hoffen, gegen die keine Naturkatastrophe ankommt. Auch wenn es momentan nicht gut aussieht für Mensch und Natur: die Zukunft wird den finalen Triumph Gottes bringen.

Was Stein „unnatürliche“ Fähigkeit nennt, um die Natur zu kurieren, ist für „Naturgläubige“ die Fähigkeit zur Selbstheilung.

In seinem Aufsatz „Die Natur“ schreibt Goethe:

„Auch das Unnatürlichste ist Natur. Wer sie nicht allenthalben sieht, sieht sie nirgendwo recht. Man gehorcht ihren Gesetzen, auch wenn man ihnen widerstrebt. Sie macht alles, was sie gibt, zur Wohltat, denn sie macht es erst unentbehrlich. Sie ist alles. Sie belohnt sich selbst und bestraft sich selbst, erfreut und quält sich selbst. Sie ist rauh und gelinde, lieblich und schröklich, kraftlos und allgewaltig. Alles ist immer da in ihr. Vergangenheit und Zukunft kennt sie nicht. Gegenwart ist ihr Ewigkeit. Sie ist gütig. Ich preise sie mit allen ihren Werken. Sie ist weise und still.“

Somit wären Impfmittel gegen Corona nichts als Natur. Eine religiöse Übernatur kennt der Pantheist Goethe nicht. Natur kann schrecklich sein und alles, was sie hervorbringt, wieder zerstören. Doch ihre terrestrischen Katastrophen bleiben Ausnahmen. Die Menschheitsgeschichte kennt die Natur als lebensfreundliche, zuverlässige und freigebig sorgende Mutter aller Dinge.

„Es ist mittlerweilen anerkannt, dass wir uns heute in der Periode des sechsten Massenaussterbens befinden. Das fünfte Massenaussterben vor 66 Millionen Jahren wird gemeinhin einem riesigen Asteroiden zugeschrieben, der auf der Erde einschlug und 75% aller Arten auf dem Planeten vernichtete. Wir Menschen haben dann nicht lange gebraucht, um das sechste Massenaussterben in Gang zu setzen. Das Abschmelzen der Gletscher des Himalayas könnte die Wasserversorgung Südasiens, das heißt von mehreren Milliarden von Menschen, abschneiden.“ (Noam Chomsky, Rebellion oder Untergang!)

Nach Steins fundamentalistischer Logik kann man solche Gefahren ignorieren und dem Schöpfer Himmels und der Erde vertrauen. Gott wird, sofern er es für richtig hält, Umweltschäden durch Wunder heilen – oder gefährdete Menschen krepieren lassen. Denen, die glauben, wird geholfen werden, die anderen werden verloren gehen. Nur erwählte Minderheiten werden gerettet werden, die Masse der Verdammten endet im höllischen Feuer.

Steins fundamentalistischer Angriff gegen die Ökologie ist identisch mit der Abneigung amerikanischer Biblizisten gegen das heidnische Getue der Welt, die Natur aus eigener Kraft retten zu können. Zu ihnen gehört Trump, der sofort nach Amtsantritt aus dem Pariser Klima-Vertrag ausstieg, um kaltblütig jene Naturschätze auszubeuten, die das ökologische Gleichgewicht ruinieren.

„In den republikanischen Vorwahlen haben sämtliche Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur die Fakten über den Klimawandel geleugnet. Wir sollten hier einen Augenblick innehalten und über die höchst bemerkenswerte Tatsache nachdenken: Eine der bedeutendsten politischen Organisationen im mächtigsten Land der Weltgeschichte hat sich buchstäblich der Vernichtung eines Großteils des Lebens auf der Erde verschrieben. Wenn man bedenkt, was hier auf dem Spiel steht, kann man sich durchaus fragen, ob es jemals zuvor in der Geschichte eine gefährlichere Organisation gegeben hat als die heutige Republikanische Partei. Wir haben hier eine verblüffende Blindheit vor uns, wie die Lemminge schnurstracks in den Abgrund zu laufen.“ (Chomsky)

Stein scheut sich, seine „Unnatürlichkeit“ Glauben zu nennen. Was ist der Unterschied zwischen Natur-Glauben und dem Glauben an einen allmächtigen Schöpfer?

Der Naturgläubige sieht die Früchte seines ökologischen Tuns in der Erholung des „Patienten“ Natur. Der Gottgläubige muss dem Willen Gottes vertrauen, der den Untergang der Natur am Ende aller Tage prophezeit hat. Bis dahin hat der Fromme hinzunehmen, was der Herr der Geschichte entscheidet. Solange der Messias nicht auf Erden zurückgekehrt ist und seine Allmacht präsentieren wird, solange muss der Gläubige sich zufrieden geben mit der Formel: ich glaube, weil es absurd ist. Die Rettung der Natur hängt nicht mehr ab vom Menschen, sondern vom Willen eines unbekannten, ja illusionären Gottes.

Die christlichen Politiker Deutschlands müssten, wenn sie die Heilige Schrift wörtlich nähmen, dieselbe anti-ökologische Politik verfolgen wie ihre amerikanischen Brüder und Schwestern. Tun sie aber nicht, weil sie sich befugt fühlen, dank ihrer Aufklärung die Schrift nach Belieben zu deuten. Das erlaubt ihnen, eine scheinbar autonome Umweltpolitik, unabhängig von allen neutestamentlichen Drohungen und Verheißungen, durchzuführen.

Wie aber lässt sich ihre lahme und verantwortungslose Umweltpolitik deuten? Es ist zur Regel geworden, dass die Politiker – unter dem Druck der Öffentlichkeit – energische Öko-Maßnahmen verkünden, dann aber das Gegenteil tun. Ihre Gefühlslage schillert in allen Dissonanzen zwischen gläubiger Heteronomie und vernunftgesteuerter Autonomie.

Sind sie wirklich autorisiert, die Natur zu retten, obgleich der Herr ihren Untergang verkündete? Wäre es nicht ehrlicher, komplett zu versagen, um Gott zu bitten, das Heilswerk selbst durchzuführen? Ist es nicht doch blasphemisch, dem Herrn der Geschichte ins Handwerk zu pfuschen?

Wäre es nicht ehrlicher, zum Himmel zu flehen: Herr, aus eigener Kraft sind wir zu nichts fähig, Du aber hast Worte ewigen Lebens?

Fortsetzung folgt.